Sind DAS unsere Eliten? Ich verzichte

1992 ging der Ruf nach „Eliten in der Pflege“ los, nach Akademisierung, die ich wirklich gut finde. Schließlich studieren nahezu überall Pflegende ihren Beruf und das befähigt sie, ihren Beruf selbst mitzuentwickeln, zu gestalten und auszugestalten. Super Sache. Elite bezeichnet dabei Zweierlei. Einerseits eine Gruppe besonders qualifizierter Personen, aber andererseits auch herrschende Kreise einer Gesellschaft. Und offenbar kommt es hier immer wieder zu Verwechslungen.

So kursiert gerade auf der Seite des DRK ein Artikel über das Contra zum Contra der Pflegekammer Niedersachsen. Gut, kann man machen. Der Artikel hat jedoch imho inhaltliche Fehler, denn er argumentiert mit einer philosophischen Größe, Karl Popper. Nach Karl Popper gibt es keine (absolute) Wahrheit. Das ist wahr.

Popper hat hier nichts zu suchen

Aber das ist auch wieder nicht wahr (was übrigens aufwirft, was Wahrheit eigentlich ist), denn Popper meinte damit Texte, die interpretiert werden müssen. Popper meinte damit die Tatsache, dass Menschen unterschiedliche Vorstellungen haben und damit unterschiedlich berichten, ihre Vorstellungen einfließen und eine Tendenz bilden. Es gibt also bezüglich historischer Texte keine absolute Wahrheit. Aber… und da sitzt die Crux. Eine Abstimmung, die in Prozent angegeben wird, ist kein interpretatorischer Text. Sie ist einfach ein Messinstrument. Punkt. Popper geht hier fehl.

Es geht weiter.

Denn nicht weniger als Aristoteles wird nun bemüht. Als sei die Abstimmung eine Gerichtsrede.

Aber eine Abstimmung ist keine Anklage und damit wird die ganze Argumentation unsauber. Im Bereich der Wissenschaft nennt man das nicht korrekte Anwenden von irgendwelchen Theorien „Namedropping“. Das Fallenlassen eines möglichst berühmten Namens soll den Debattierenden einschüchtern. Wer so argumentiert, hofft, dass das Gegenüber den großen Namen als Autorität anerkennt. Und nicht wagt, zu widersprechen. Dahinter verbirgt sich die Annahme, dass das Gegenüber das Werk des großen Namens hoffentlich nicht kennt. Der Argumentationsstrang ist alt. „Ich bin schlau, Du hoffentlich nicht!“

Namedropping ist verpönt, weil es sich so schnell enttarnen lässt. Es ist unsauberes Argumentieren. Und in der Wissenschaft, also bei den „Eliten“, geht es hauptsächlich darum, im Diskurs dialektisch möglichst sauber zu argumentieren. Deshalb treffen wir uns auf Tagungen, deshalb diskutieren wir Tag und Nacht, schreiben Artikel, gehen in Peer Reviews. Sauber arbeiten. Habe ich alles richtig gemacht oder sieht noch irgendwo wer einen Fehler? Das diskutieren wir bis aufs Messer.

Dabei wütend zu werden, gilt als absurd. Wir diskutieren hart, das ist oft anstrengend. Aber das ist es uns wert, denn es geht um Wissenserweiterung, die möglichst für alle anderen sicher ist. Am Ende bedanken wir uns oft bei den anderen. Danke, dass ich lernen durfte. Das machen wir völlig unabhängig von Rang und Titel.

Außer, man möchte posen, man möchte einschüchtern. Dann wird man ein bisschen wütend.

Das ist hier passiert. Ich wies nett darauf hin, dass die Theorie da imho falsch angewandt wird. Was dann geschah, war episch.

Ernsthaft jetzt?

Die Kritik wurde abgebügelt. Wer mit dem Finger auf andere zeige, der solle dabei nicht vergessen, dass drei Finger an seiner Hand…. Entschuldigung? So funktioniert Diskurs. Nur halt nicht, wenn man keine Lust hat, sich zu reflektieren. Dann reicht Geschrei und Mimimi.

Warum ich das erwähne?

Pflege braucht Eliten. Was Pflege nicht braucht, sind wütende männliche Poser mit Mastertitel. Was Pflege nicht braucht in ihren Führungsetagen sind Menschen, die vermeinen, ihr Master sichere ihnen Deutungshoheit bei unsauberem Arbeiten. Und mache den anderen unwürdig, ihn in den Diskurs zu nehmen. Wer so denkt, der kommt bei mir schnell in den Geruch, keine Substanz zu haben. Sich aufzuspielen. Denn letztlich ist ein Diskurs keine Dramatik.
Pflege braucht Eliten, aber Eliten, auf die ich mich verlassen kann, die nicht jede Theorie hinbiegen und mental vergewaltigen, bis sie ihnen in den Kram passt, um vermeintlich „dumme Menschen“ auszudriven. Universitas befähigt, nimmt mit, Universitas sperrt nicht aus.

Nein, nicht alle Akademiker sind so. Aber wir bekommen langsam ein Problem damit, dass alleine auf die inflationär vergebenen Abschlüsse geschaut wird und nicht auf (wissenschaftliche) Kompetenz. Es sei nur ein Meinungsartikel gewesen. Aha.

Wenn ich Meinungen verarbeite, setze ich nicht drölfzig Fußnoten und verwurste Theorien.

Elite braucht dabei nicht zwingend einen Grad. Ich kenne wundervolle Eliten ohne Grad und – wie wir sehen – schaurige Eliten, die NUR einen Grad haben.

Ich habe angeboten, dass der Autor MEINE Arbeiten logsicher weise auch kritisch auseinandernehmen darf. Er meldete, er habe „keinen Bedarf“.

So gehen gebildete Menschen nicht miteinander um. Und das wirft für mich ein zweifelhaftes Bild auf diejenigen, die von Organisationen eingestellt werden und dort etwas repräsentieren, was sie intellektuell nicht halten können.

Dabei verkommt der Gedanke. Das formt nichts, das deformiert.

Ich erkläre mich damit nicht einverstanden . Ein Mastergrad ist kein Argument für das akademische Leben. Wer so agiert, demaskiert alles und jeden und vor allem sich selbst.

Ob ich nun überzeugt wurde, dass die Kammer Niedersachsen von diskursfähigen Eliten hätte geführt werden können? Nein.

Nur von wütenden Mastermännern, die mehr Schein als Sein bieten. Das ist nicht mein Selbstverständnis von Elite. Davon möchte ich mich explizit distanzieren.

Und ich empfinde dabei eine grenzenlose Fremdscham.

Das kann Elite besser. Das MUSS Elite besser können. Sonst ist sie keine.

Ein Kommentar zu „Sind DAS unsere Eliten? Ich verzichte

  1. Du hast aber lange gebraucht, um den Unterschied zwischen Bildung und Intelligenz zu realisieren.

    Wetten, daß das wieder so ein 20jähriger Bologneser ist, der ohne Umweg über die Realität direkt vom Gymnasium auf die FH Delmenhorst-Süd gewechselt hat?

    Das Posten bunter Bildchen spricht dafür.

    Aber wie sagte schon Cato d. Ä. in seiner „oratio contra Marcus Maius Superbus „:
    „Cacatum non est pictum“. 😉

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