Mein Verhältnis zu Urkunden ist gespalten. Ich gebe zu, dass ich meine Graduierungen ordentlich in einem Ordner abgelegt habe und sie nicht, wie manch anderer, an meine Bürowand gerahmt genagelt habe. Ich habe einige Siege im Golf eingeheimst. Ich kann, bzw. konnte, den Golfball weiter driven als die Männer und dereinst putten wie eine junge Göttin. Aber ansonsten war ich eine sportliche Flachzange. Außer in Schach. Vielleicht war ich nicht sportlich. Vielleicht bin ich aber auch nur in einem Stadtteil von Berlin aufgewachsen, wo man im Winter drinnen war und im Sommer im Garten. Da fuhr ich Rad. Es gab keinen logischen Grund, irgendwohin zu sprinten, zu joggen oder weitzuhüpfen. Das hat absolut keine Rolle gespielt. Schwebebalken waren mein Endgegner, Ringe habe ich gehasst, ich konnte nie einen Handstand, nichtmal an der Wand. Aber das spielte absolut keine Rolle.
Außer dieses eine mal im Jahr, wenn Bundesjugendspiele waren. Für mich der sinnloseste Tag im Jahr. Nein, ich habe nie eine Siegerurkunde bekommen. Und wenn, kann ich mich nicht dran erinnern und hab sie nicht mehr. Es ist aber unwahrscheinlich, denn ich war schon immer Moppel und konnte auch nichtmal im Ansatz die Freude darüber nachvollziehen, sich für das Stückerl Papier so zu quälen. Es war unlogisch. Es war ein Stück Papier ohne größeren Wert. Nichtmal ne ordentliche Note ließ sich daraus ableiten, es gab keine Gratifikation wie bei ner ordentlichen „1“ (das war bei uns so üblich).
Derzeit gehen sie um, die Urkunden. Es gibt allenthalben Pflegepreise. Die bestehen aus ner Urkunde. Ich frage mich, wie ich mich fühlen würde, würde ich einen solch inflationären Preis bekommen. Ja, in meinem Beruf gibt es auch Preise. Da tritt man gegeneinander an, am Ende gibt es tatsächlich für einen ein paar hundert oder tausend (keinesfalls aber hunderttausend!) Euro. Das ist nice. Aber nur ein Stückerl Papier für die ganze harte Pflegearbeit hat für mich noch immer den Geruch der Siegerurkunde ohne Gratifikation.
Bayern hat heute so eine Medaille verliehen. Die „Bayerische Staatsmedaille für Verdienste um Gesundheit und Pflege ging an….. *Tusch* eine Pflegende Angehörige. Geehrt werden nämlich nur die, die sich jahrelang ehrenamtlich engagiert haben. Profis sind also draußen. Das leuchtet mir nicht so richtig ein, so oft, wie Profis ehrenamtlich einspringen, aber gut.. ist das halt so.
Nein, ich neide diese Medaille nicht. Echt nicht. Ich war lange im Ehrenamt, beim ASB im Rettungsdienst und bei der Feuerwehr. Ich hab so ne Odermedaille. Und mal so nen Orden bekommen. (Wo ist das Ding eigentlich?) Tatsächlich fühlten wir uns so verschaukelt, dass sich manche den kleine Orden ins Ohr gesteckt haben. Damit sie „wenigstens“ was haben. Gab gleich Ärger wegen der Ehre und so. (ICH war das nicht!)
Wie geht man damit um, dass es für Profis auch Siegerurkunden gibt, die nichts bedeuten und Ehrenamtliche, die eigentlich für ihre Arbeit auch Aufwandsentschädigung bekommen sollten, mit ner Medaille abgespeist werden? Ehrenamt, das war Pflege im 19. Jahrhundert. Ein Nichtberuf, den reiche Frauen aus Langeweile ausübten. Die Kontinuität kennen wir. Pflege kann jeder, Pflege muss nix verdienen, Pflege ist haushaltsnahe Tätigkeit.
Symbolpreise. Wertschätzung auf dem Papier. Ich persönlich finde, dass Pflege ja mehr verdient hat, als den gleichen Symbolwert, wie ihn weit in den Sand hüpfen könnende Kinder bekommen . sind Papierurkunden die Re-Infantilisierung der Pflegeprofis? Ein Papier ohne Sahnebonbon? Ein Goodie fürs Artigsein? Sind sie Ausdruck der systematischen Hilflosigkeit oder glauben die Macher solcher Preise wirklich, dass man sich das über das Bett hängt und dem Besuch am (vielleicht) freien Wochenende sagt: „Guck mal, ich hab ne Pflege-Siegerurkunde bekommen!“
Ich glaub, ich versuche lieber mal das mit dem weit hüpfen nochmal….