Wisst Ihr, was mich wirklich zum Verzweifeln bringt? Nursetwitter UK. Wenn ich mir deren Nachrichten, deren Presse und deren Fragen zum Beruf anschaue, die sie einfach mal eben so zwischendurch abhaken und bereden, dann wird mir klar: Das sind Nachrichten aus einer völlig anderen Welt.
Lange war ich bei Escardio und ACNAP, den internationalen Kardioschwestern. Das wurde schnell etwas peinlich, weil wir in D eben nicht laufend irgendwelche Studien selbst machen und Dinge zu präsentieren hatten.
Heute war wieder so ein Tag. Die Frage war ganz einfach. „What about broader physical and mental wellbeing health information for your patients? How can we ensure this information is high quality?“ (Was ist mit umfassenden Informationen zum körperlichen und geistigen Wohlbefinden Ihrer Patienten? Wie können wir sicherstellen, dass diese Infos von hoher Qualität sind?)
Was willst da antworten? Es klänge irgendwie so:
Ja, ganz generell wird in der Ausbildung gelehrt, dass Pflege auch in D eine beratende Funktion habe. Wie diese genau aussieht, darüber herrscht in der Praxis völlige Uneinigkeit. Das ist aber auch egal, solange wir den richtigen Haken abhaken und das richtige Kürzel an der richtigen Stelle machen. Noch immer berichten Kolleginnen, dass Patienten sie bestürzt anschauen, wenn sie sagen, dass sie jetzt den ZVK ziehen oder Fäden. Ob sie das denn könnten und auch dürften? Kompetenz von Pflegenden wird nicht wahrgenommen und wem man kaum Fädenziehen zutraut, der berät ganz sicher nicht und wird, wenn er es denn tut, auch nicht ernstgenommen. Lustige Anekdote dazu.
An einem sehr sehr außergewöhnlichen Tag hatte ich im Schockraum wenig zu tun und einen Patienten mit VWI. Stundenlang warteten wir auf den Troponintest I und II und ich hatte ewig Zeit, ihn beim Monitoren zu betreuen. Weil außerhalb alles rannte und sich stapelte, klärte ich ihn auf, was denn nun weiter passieren würde. Über seine Fragen für den anstehenden Katheter, über eine kommende Reha, über die Kabel und was sie bedeuteten. Er lachte. Später kam die ärztliche Kollegin und fragte: „Hat sie die Kollegin aufgeklärt? Was soll ich mit Ihnen auf dem Zettel noch durchgehen?“ Der Patient schaute sie verblüfft an. „Aber sie ist doch nur Schwester. Ich dachte, sie scherzt!“ Danke. 2 Stunden nicht ernstgenommen. Soviel also zu wie ich meine Infos sicherstelle.
Überhaupt scheint ein großes Problem zu sein, dass Patienten oft nicht wahrnehmen, was eigentlich der Beruf der Pflege ist. Selbst Pflegende nehmen das nicht wahr. Vor ein paar Tagen postete eine Ausbilderin (und soweit ich weiß, ist sie Referentin eines Berufsverbandes), dass sie doch tatsächlich einen FLECK auf ihrer Bettdecke habe!! (hier Kreischen einfügen). Was denn mit der Pflege los sei? Wir haben versucht, ihr sehr geduldig zu erklären, dass Pflegenotstand ist. Wir haben versucht, ihr zu erklären, dass die Theorie und die Praxis eine Lücke haben und zumindest ich verwunderte mich sehr, das ihr das in all den Jahren nicht aufgefallen war. Nein! Das Bett hat neu bezogen zu werden. Pflege, das ist in D immer noch waschen und irgendwas mit Bettenbeziehen. Aus irgendeinem kühnen Grunde kommen wir davon nicht weg.
Es besteht auch scheinbar gar kein Interesse seitens der Patienten, herauszufinden, was das eigentlich ist, diese Pflege. Pflege wird dermaßen einer Fremdzuschreibung unterzogen, dass die Leute nicht verstehen möchten, dass der Hauptgrund zum Verlassen des Berufs ist, dass man ihn nicht so ausüben kann, wie man ihn gelernt hat. Zum Teil ist das strukturell und systematisch bedingt, zum anderen Teil aber hat an diesem System der Faktor Patient als Bürger einen maximalen Anteil dran.
Solange der Patient Bürger ist, geht ihn die Sache ja nichts an. Ist der Bürger dann Patient, dann fühlt er sich nicht verantwortlich. Man muss ihm helfen. Das muss man doch! Und das muss man zu den Konditionen, die er wünscht. Gefälligst. Und das ohne Rücksicht auf die eigenen Gefühle, Ressourcen und Möglichkeiten. Er, der Patient, möchte mit der Sache, die ihn betrifft, nichts zu tun haben. Alles soll so bleiben, wie er es sich ausgemalt hat. Wenn auch der Paradigmenwechsel in der Pflege seit 1990 nicht bei ihm angekommen ist, aber das hat er begriffen: irgendwas mit wichtig.
Merkwürdig wütend wird man dann, wenn er gesagt bekommt, dass Pflege zu diesen Konditionen gar nicht arbeiten muss. Dass sie gehen kann. Und was er dann macht? Dann? Dann sei man halt schuld, dass er stirbt. Man sei ein Egoist. Ein Verachter. Ach, guck. Die Frage, ob es etwas gegeben hätte, was macht, dass das Personal bleibt, diese Frage stellt er sich nicht. Geht ihn ja nichts an.
Und das finde ICH verächtlich.
Im minimalsten Konsens soll man dann „zusammenarbeiten“, aber letztlich ist das etwas Unmögliches, weil damit oft einfach nur gemeint ist, man soll zu seinen Bedingungen das unter Pflege Verstehen, was er fremdzuschreibt.
Wie nur stelle ich also sicher, dass die Informationen über körperliche und physische Wohlbefindlichkeit sicher sind?
Währenddessen schachert Saskia Ecken um die Prämie. Die sei Angelegenheit des Arbeitgebers. Zuständig für Pflege ist: Niemand. Außer Pflege. Ganz allein. Aber so, wie irgendwer es 1800 festgelegt hat. Nicht wir. Denn dafür sind wir nicht zuständig.
Also, was antworte ich auf solche Fragen aus UK?