Schwester Stephanie muss sterben!

Im Internet formieren sich weiterhin Gruppen, die sich zum Klatschen treffen wollen. Ja, so hab ich auch geguckt. Und wenn ich die armseligen Dankebeiträge lese, wird mir auch übel. „Danke, Ihr macht einen tollen Job!“. Ja, bloß, dass sie gar nicht wissen, wie dieser Job geht. In ihren Träumen schieben wir noch immer lächelnd Käffchen und Teichen durch die Gänge und halten Händchen. Jeder Hinz und Kunz projiziert seine feuchten Träume, die er aus dem Fernsehen hat, auf die Realität. Wehe, die Realität ist dann nicht so, wie Schwester Stephanie im Fernsehen. Ich habe einen Traum. Schwester Stephanie muss sterben. In den Köpfen der Leute. Es ist mir dabei egal, ob die Traumfigur an Corona oder Haarspliss dahingeht. Es darf auch theatralisch sein und eine dramatische Musik darf dazu spielen. Und dann könnten wir wir sein.

Abgesehen davon muss man diesem Land sogar zeigen, wie man Danke sagt. Schenkt Euch Euer Merci selbst. Also sage ich Danke.

Unzureichender Schutz für eine Woche

Ich weiß, dass Du zu wenig Material hast. Ich weiß, dass sie Dir Masken geben, die Dich nicht schützen und dass Du vor Angst selbst welche nähst. Ich weiß, dass Dich in der Häuslichkeit Patienten anschreien, dass Du sowas tragen sollst. Und sich dann mit ihren Freunden zum Kaffee treffen. Ich weiß, dass sogar Handschuhe knapp sind. Und dass Du rasende Angst hast, Deine Familie infizieren zu können. Danke, dass Du diese Angst irgendwie aushältst.

Ich weiß, unter dem ganzen Plastikzeug ist es heiß. Ich weiß, dass Du schwitzt, Pickel kriegst, schrecklichen Durst hast und oft nicht die Zeit zum Pinkeln gehen. Ich weiß, entweder Dein Kreislauf oder Deine Nieren rächen sich irgendwann bitter dafür. Ich werde mich nicht dafür bedanken, dass Du dieses Risiko eingehst. Trink was. Aber Danke, dass Du das Schwitzen aushältst und die Striemen auf der Nase.

Ich weiß, dass sie Dich positiv arbeiten lassen. Und dass sie Dir sagen Teste sind alle. Und dass Du erst aufhören sollst zu arbeiten, wenn Du richtige Symptome hast. Das macht Angst, das macht auch wütend. Und derweil stehen in Deiner Kliniken die ganzen Luxushypochonder in langen Schlangen vor den Testzentren, die nur mal nachgucken lassen wollen „ob sie Coronar haben“. Das sind die gleichen, die sonst die Beschwerdezettel ausfüllen, dass die Matratze zu hart war oder der Joghurt zu dünn. Die Hotel und Klinik verwechseln. Danke, dass Du ihnen nicht sagst, sie sollen sich zum Teufel scheren.

Ich weiß, denn das hat der ICN verkündet, dass Pflege an Corona stirbt. Wir wissen beide, dass Du dieser Gefahr mit Material weniger ausgesetzt wärst. Ich werde mich nicht bedanken, dass Du das Risiko eingehst. Niemand will Held sein. Und von der Bronzeplakette auf Deinem Grab hast Du genau nichts. Aber Danke, dass Du mit Deinen Kollegen nicht massenhaft aus der Klinik flüchtest. Und ganz ehrlich? Es stünde Dir zu.

Ich weiß, dass Du selbst Angehörige daheim hast, die in Risikogruppen gehören. Ich weiß, dass Du Dein Kind zu Deiner Mama schickst, dass Dein Kind in irgendwelchen Notgruppen mit anderen untergebracht ist, die neue Infektionscluster schaffen. Diese Angst muss unerträglich sein. Danke, dass Du sie irgendwie aushältst. Und pass auf Dein Kind auf.

Ich weiß, dass es jetzt strenge Regeln für Besuch gibt und dass die gleichen Besucher, die klatschen wollen, die nicht akzeptieren. Man trifft sich draußen im Park, umarmt sich. Sie schleppen die Krankheit zu den Schwächsten. Gleichzeitig formieren sich im Internet Patientengruppen, die beweisen wollen, dass es nicht geht, nicht in die Kliniken zu gehen, die bösartig Pflege in den Heimen beschimpfen. Könnte ich ausrasten. Danke, dass Du diese Heuchler der Mercipackungen erträgst. Danke, dass Ihr in die Heime gezogen seid, wo Ihr nur 8h bezahlt bekommt. Interniert. Obwohl ich das falsch finde. Danke, dass Du diese falschen Dankes der Leute erträgst.

Ich weiß, dass Du Angst davor hast, beatmen zu müssen. Am Ende wirst Du es schaffen. Danke, dass Du nach all den Jahren Respekt vor neuen Aufgaben hast und Dir bewusst bist, dass alle einen guten Job machen, unabhängig davon, wo sie eingesetzt sind.

Ich weiß, dass Du nach wie vor sinnlos um 4:0 aufstehen musst. Sie könnten wenigstens die Schichten ändern. Dafür kriegst Du am Nachmittag nichtmal Klopapier. Danke, dass Du dann trotz der Müdigkeit noch Läden abklapperst, Dich nochmal in Gefahr begibst.

Ich weiß, dass Ihr Auszubildenden gerade durch die Hölle geschickt werdet. Danke, dass Ihr nicht schreiend weglauft und Euch flugs n besseren Beruf sucht.

Danke dafür. Nein, wir machen keinen „tollen Job“. Den Job, den wir mal gelernt haben, haben wir in den meisten Fällen nie so gemacht. Dafür fehlte die Zeit. Danke, dass Ihr Euch jeden Tag aufs Neue frusten lasst und wartet, bis der Tag kommt.

8 Kommentare zu „Schwester Stephanie muss sterben!

  1. Schade, ich hab hier eigentlich gern gelesen. Und natürlich gibt es eklatante Missstände, und es ist gut darauf aufmerksam zu machen. Ob es dabei eines ständigen Herumwütens bedarf sei dahin gestellt. Ich für meinen Teil folge nicht mehr.

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  2. Mir ist es noch nicht zuviel geworden. Die Wut muss auch einfach mal raus. Vielleicht sehe ich es auch anders, weil für mich vieles neu ist. Ich lese weiter Deine Beiträge.

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      1. Ja! Und das ist richtig. Es ist einer der Berufe, bei dem sich die Gesellschaft analog zum schmutzigen Geschirr verhält. Alles rein in dem Spüler, weg ist es, was drinnen passiert … keine Ahnung, Hauptsache danach ist alles sauber. Viel mehr sollten die Leute mit der Realität konfrontieren.

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      2. Eine gutes, einprägsames Bild mit den Geschirrspüler – bisher verwendete ich immer den Begriff Blackboxing. Solange der Flug von A nach B funktioniert ist egal was zwischendurch passiert.

        Gibt es ein Crash: dann den Box aufschließen, Daten auslesen, Ursachen sehen, Lösungen finden und zu ein neues Denken Out of the Box ermutigen.

        Der Blackbox ist eher statisch – der Geschirrspüler dynamisch figuriert. Beim Blackbox macht Niemand die Klappe auf auch wenn 1000 Flüge unproblematisch hin und her gingen. – bei den Geschirrspüler sollte man immer die Klappe aufmachen ….

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  3. Also ich gehöre nicht zu den „Klatschern“!
    Warum auch? Ich bekomme auch keinen Beifall für meine Arbeit.
    Aber die Reaktion so mancher Pflegefachkraft auf die Menschen, die ihnen Respekt und Dank zeigen wollen, finde ich echt beschämend!
    Diese Leute können nichts dafür, dass dieser Beruf unterbezahlt ist! Sie haben das nicht zu verantworten und es steht auch nicht in ihrer Macht, das zu ändern! Viele von ihnen haben vielleicht noch schlechtere Arbeitsbedingungen und verdienen weitaus weniger! Schon mal daran gedacht?
    Wir alle sind Menschen, nur ist nicht jeder von uns auch menschlich!
    Arbeiten denn alle Pflegefachkräfte plötzlich auf der Intensivstation?
    „Stay home unless you want to get intubated by a psychiatrist“ ???
    Und während die Politik von Zusammenhalt spricht, sehe ich, wie die Gesellschaft immer mehr auseinander bricht!!!

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    1. Ihre Rechtfertigung vergisst da was. Die Bedingungen wurden 2000 von Ihnen gewählt. Und denen, die Ihnen jetzt möglichst das Leben retten sollen, noch Scham zu befehlen, ist das Widerwärtigste, von dem ich He hörte.
      Behelligen Sie mich bitte nicht mit ihren lächerlichen Ausreden und Problemen.

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