Der Alb Bote verkündete im August die frohe Botschaft. Die Fachkliniken Herzogenaurach schlossen mit Verdi einen „überzeugenden und einvernehmlichen Tarifvertrag“ ab. Ein besonderer Fokus, so sagte Bernd Kümmerle als Mitglied der Konzerngeschäftsleitung, liege auf der Aufwertung der Pflegeberufe. So weit, so vollmundig. Um Wertschätzung sollte es gehen. Um Anerkennung. Und das im Sektor der Rehabilitation.
Doch von all dem ist nun gar nichts mehr übrig. Und das liegt nicht nur an Corona.
In die Krise sind die Einrichtungen des Gesundheitssystems bereits mit einer erheblichen Last gestartet. Eine Last, die sich im Gesundheitsreport der DAK zeigt. Pflegende sind am Limit. Sie leisten Überstunden in erheblicher Menge. Die Belastung ist so stark, dass die meisten Pflegenden nur noch Teilzeitarbeit schaffen. Zu hoch ist die Belastung, wenn man sich nicht durch Kürzung der Arbeitszeit ein paar freie Tage erkämpft. Dann lieber weniger Geld.
Doch so einfach ist das nicht, denn der stete Personalmangel führt allerorten dazu, dass Pflegende an ihren freien Tagen einspringen müssen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Ansonsten wäre die Versorgung der Bürger schlicht nicht gewährleistet.
Nun ist es so, dass Zeit nunmal Geld ist. Ein Arbeitgeber kauft bei seinem Arbeitnehmer eine bestimmte Summe Zeit zum Arbeiten. Dass diese Zeit auch Arbeitsverdichtung stark belastet ist, das stört bislang nur Pflegende.
Einspringen aber ist eine zusätzliche Arbeitszeit, die der Arbeitgeber in zwei Varianten abgelten kann. In Zeit oder Geld. Eigentlich handelt es sich dabei um einen Kredit in Zeit, den der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gibt. Denn zweifelsfrei müsste der Arbeitgeber diese Zeit bezahlen. Das mögen jedoch die meisten Arbeitgeber nicht. Schließlich, so das beliebte Argument, müsse man die armen Kranken versorgen.
Die Tage, die der Arbeitnehmer eingesprungen ist, die hat er voll gearbeitet. Es stünde den Pflegenden zu, ihren Zeitausgleich zu bekommen. Es stünde den Mitarbeitern zu, dafür Geld zu bekommen. Doch so einfach ist das nicht im systemrelevanten, schlecht bezahlten aber gut beklatschtem Heldentum. Denn dieser Kredit, den Bürger und Arbeitnehmer vom Helden da verlangen, der wird nicht gerne beglichen.
Eigentlich läuft es so. Aus purer Not geben die Armen den relativ reichen Konzernen also Geld (in Zeit), damit die Konzerne die Leute gemäß ihres Versorgungsauftrages versorgen können. Doch was genau kommt da zurück? Nichts.

Angeblich gibt es nun weniger Patienten. Deshalb gäbe es weniger Geld für den Konzern und weniger Arbeit. Dem ist nicht ganz so. Eine Station hat akkurat EINEN Patienten weniger. Aber gut, es sind genügend Überstunden da, um endlich die Zeit zurückzugeben, die man sich vom Arbeitgeber zusammengeschnorrt hat. Und das wollte man. Man wollte diese Zeit bezahlen. Nun aber nicht. Die Verhandlungen sind verschoben.
Die, die den Kredit gegeben haben, die Pflegenden, dürfen nicht mitreden. Eine sehr merkwürdige Geschäftsauffassung zwischen Vertragspartnern. Sollten nicht die, die das Geld gegeben haben, da etwas mitzureden haben? Nicht in der Pflege. Doch so einfach ist das rechtlich nicht, denn die Pflegenden hätten das Recht auf Durchsetzung der tarifvertraglichen Vereinbarungen. Das sagt in dem Schreiben nur niemand.
Laut mündlicher Auskunft eines Pflegenden wurden nun die Zeiten, in denen die Schichten die Patienten übergeben, so verkürzt, dass jeder ein paar Minuten früher gehen kann. So werden dann die Stunden abgebaut.
Konkret heisst das, dass man volle Tage eingesprungen ist. Nun aber wird weitere Arbeitsverdichtung betrieben und der volle Tag in Minuten zurückgegeben.
Man wolle Arbeitsplätze erhalten. Das ist absurd in einer Zeit, wo jede Klinik händeringend Arbeitnehmer sucht, die Pflegefachkräfte sind. Und es ist keinesfalls zu rechtfertigen, die Arbeitszeitkonten nicht auszugleichen, wie besprochen. Wo ist sie nun, die Rückfinanzierung?
Es ist einfach unverschämt, sich beim unterlegenen Vertragspartner Geld zu borgen und es den Leuten nicht zurückzugeben. Die haben ein Recht auf volle Zeiten und Erholung. Wenn aber woher schon ein voller dienst gefahren werden musste, um ein paar Minuten Zeit „zurückzubekommen“, profitiert am ende wieder einmal nur Einer: die Klinik.
Der Arbeitnehmer bekommt seine Erholung nicht. Das Ende ist das Altbekannte: Burnout und weitere Fälle für den nächsten Gesundheitsreport der Krankenkasse.
Da hilft leider auch kein Klatschen mehr.