Fairmedia für Pflegende! Weshalb die Medien eine besondere Verantwortung in der Krise haben. „Ich bin nicht Euer fehlendes Bett!“

In den letzten Jahren reden wir zurecht immer wieder in allen Bereichen des Lebens über das wording, also die Frage, wie man etwas sagt, wie man etwas darstellt und zeigt. Diese Frage stellt man sich zurecht, denn Sprache schafft Wirklichkeit.

Es wird Zeit, dass nun die Medien diese Verantwortung auch für den Pflegeberuf mittragen. Einen Beruf, den noch immer 83%-86% Frauen ausführen und begreifen, dass sie mit ihrer Sprache einen erhebliche Mitschuld am Bild von Pflegenden haben. Daran, dass diese Arbeit nicht gesehen, missverstanden wird, niedliche Zuschreibungen das Bild prägen, statt die Realität.

In allen TV-Beiträgen, in fast allen Zeitungsartikeln ist das, was die Redakteure vornehmlich beschäftigt: „Haben wir genug Betten?“. Ich versichere Ihnen, wir haben eine extrem hohe Anzahl an Betten. Sie stehen in Bettenzentralen. Aber Sie meinen gar keine Betten, sondern die Frage, die Sie eigentlich stellen wollen: Haben wir genug Pflegepersonal, das Intensivpatienten in einer hochkomplexen Apparatemedizin sicher und kompetent betreuen kann? Das ist eine völlig andere Liga als die Frage nach dem Bett. Ich bin nicht Euer fehlendes Bett. Ich bin kein Ding, keine Masse, kein Gerät. Nicht tot.

Intensivkrankenpflege ist hochkomplex. Sie lernt sich nicht einfach so, das Beatmen und das Lesen der Monitore und Parameter ist schwer. Eine Kommunikation auf Leben und Tod über eine Matrix. Den Monitor. Eine Sprache, die nur sehr, sehr wenige beherrschen. Doch, und das muss sich die Gesellschaft eingestehen, sie wissen eigentlich gar nichts von den Aufgaben, die Intensivpflege dort leistet. Im Hinterkopf geistert Waschen, dabeistehen, lächeln, dem Arzt helfen in den Köpfen herum. Dass Pflege insbesonders auf den sensiblen Bereichen eigenständige, hochverantwortungsvolle Aufgaben macht, wird bei der Frage nach dem Bett völlig negiert.

Das diskriminiert, das grenzt aus, das macht unsichtbar. Das ist nicht förderlich für das Bild, das die Gesellschaft von Pflege hat. Und an dem sind Medien beteiligt.

„Sie sind gar nicht der Arzt?“

Wie schwer die Einordnung der Personen auf Intensivstationen und Funktionsbereichen ist, hat jede Pflegekraft dort schon erlebt, wenn sie Medikamente gibt, reanimiert, Dialysen fährt. Im Bewusstsein der Gesellschaft sind das ärztliche Aufgaben. Doch dem ist nicht so. Jeder wurde dort bereits einmal gefragt. „Ach sie sind gar nicht der Arzt?“. Das ist beschämend. Das entwertet.

Pflege wird geframed als aufopferungsvoller Empathiejob. Das ist er nicht. Niemand dieser Tage möchte sich und seine Familie als Alltagsheld opfern. Die Pflegenden in den Kliniken sind bereit, phantastische Arbeit weit über den Grenzen der Möglichkeiten zu leisten und die Bevölkerung zu schützen. Das machen sie nicht mit Händchenhalten und Liebe. Das machen sie mit Wissen.

Peinlich, wenn dann Medien zulassen dass da Politiker von der tröstenden, händchenhaltenden Schwester reden. Ein verantwortungsvolles Blatt dieser Tage durfte das gar nicht drucken, denn die Selbstoffenbarung ist zweierlei: Weder der Politiker noch die Presse haben Ahnung, wovon sie da reden. Das ist umso peinlicher, wenn alle nach etwas rufen (Pflegende), von dem sie nichts verstehen. Wie unsichtbar muss diese Arbeit eigentlich sein?

Berufsbezeichnungen

Kommt die Frage nach Pflege auf, dann wird gerne mit Zahlen hantiert. Dann werden Pflegende gezählt. Dass es aber verschiedene Kompetenzen und Zuständigkeiten gibt, interessiert an diesem Punkt niemanden. Altenpflege ist keine Intensivpflege. Intensivpflege ist keine Altenpflege. Betreuung ist keine Assistenz.

Ich selbst war in den letzten Tagen in der Presse: Pflegerin, Krankenpflegerin. Nicht ein Blatt hat sich für die Berufsbezeichnungen interessiert. Als hätte ich nicht Examen und Zusatzscheine gemacht, als sei mein Studium inexistent! Was muss ich noch studieren, leisten und bewegen, welche Bücher muss ich noch schreiben, bevor ich mehr bin, als everybodies popowischendes Liebchen, das sich mit Vornamen ungefragt anreden lassen muss? „Die Monja hat Tipps“ – gehts noch?

Es gibt bis 2004 Krankenschwestern

Es gibt Kinderkrankenschwestern, Altenpfleger, Fachkrankenschwester, Gesundheits- und Krankenpflger*innen, Krankenpfleger, Altenpfleger, Fachpflegekräfte, Bachelor of Science, Master of Science in Nursing und 50 weitere Studiengänge.

Die haben wir bestanden. ICH WILL GEFÄLLIGST SO GENANNT WERDEN! Das steht mir zu!

Es ist das Mindeste, hier nicht wieder Unsichtbarkeit einer Leistung, eines Wissens unter dem „Pflegerin“ zu subsumieren, das alles sein kann. Aber nichts mit Wissen. Das ist schlicht nicht fair.
Weshalb kann man jede Gruppe gezielt ansprechen, aber Pflege ist davon ausgenommen?

Ich möchte auch nicht mit meinem Vornamen, wie geschehen, in irgendwelchen Blättern erscheinen. Mein Vorname ist das Privileg meiner Familie und Freunde, mich so zu nennen. Die anderen haben nicht mit mir im Sandkasten gespielt. Der Respekt, ein einfacher Respekt, gebiert doch, Menschen bei Ihrem Nachnamen zu nennen. Seit 20 Jahren.

Es gibt keine Schwestern !

Es gibt keine Schwestern. Das ist kein Titel. Schwester kommt aus dem klösterlichen Bezug. Diese Zeiten der Klostermedizin sind lange vorbei. Aber noch immer, weil das Wording unverändert ist, ist es die Basis des Ansehens als entweder verruchtes sexualisiertes Wesen, als Ersatzmutter, auf die jeder etwas projizieren kann. Meine Patienten sind nicht meine Familie. Ich sorge nicht für sie. Ich pflege sie nach wissenschaftlichen Kriterien.

Pflege ist krank. Das belegen die Gesundheitsreporte. Pflege ist emotional ausgekühlt und ausgebrannt. Weshalb also sollte ich mir nun über den Aufbau eines gesellschaftlichen Bildes dem niemand entsprechen möchte, ein Label aufdrücken lassen, das mit dem professionellen Beruf nichts zu tun hat? Das Aufgeben der professionellen Distanz war für alle der erste Schritt in die eigene Erkrankung. Das Labeln als emotionales schwarzes Loch der Bedürfnisse hat seinen Teil dazu beigetragen. Und spätestens da sollte sich Fairmedia und Pflege begegnen. Denn das sind psychische Erkrankungen, die sie verniedlichen, wenn Sie weiterhin das Label der „macht irgendwas mit Händchenhalten“ Pflege bemühen. Das kann nicht richtig sein.

Fairmedia für Pflege also.

Wahre Berufsbezeichnung.

Wahre Berufskompetenzen.

Wahre Selbstbilder.

Auch das gehört dazu.

2 Kommentare zu „Fairmedia für Pflegende! Weshalb die Medien eine besondere Verantwortung in der Krise haben. „Ich bin nicht Euer fehlendes Bett!“

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