HERRGOTTSCHEISSE!

Erzählmirnix: Herrgottscheisse!

Auf meiner Facebookseite empörte sich vor einigen Tagen eine Leserin. Ich hatte tatsächlich „Herrgottscheisse“ zu irgendeinem Blödsinn geschrieben, den irgendwer gerade wieder verzapft. Wo wir denn hier seien? Liebchen, wir sind in der Pflege, Herrgottscheisse! Gleichzeitig hatte ich gefragt, was ich denn schreiben soll? Ein Rant wurde bestellt. Es kommt mir wie Erlösung vor.

Ich habe eigentlich genug über da Thema Silencing und Tonepolicing geschrieben und ich habe über den Kommentar gelacht. Warum? Es gibt noch immer Leute, die angeblich nicht gewusst haben, was eigentlich eine Kammer ist, obwohl das 30 Jahre in der Presse stand. Deshalb wundere ich mich nicht, dass die Leserin die Autorin Nadja Hermann (Erzählmirnix) offenbar nicht kennt. Herrgottscheisse. Es ist zum Mäusemelken. Pflege, das ist auch immer ein Spiel mit dem, was man schon immer so gemacht hat. Gerade die alten Kollegen haben Erwartungen. Vor allem ans Benehmen. Artige Mädchen fluchen da nicht. Das geziemt sich nicht. Im Grunde, so habe ich gelernt, geziemt sich nichts. Aber es gibt eine Menge, woran sich Herrgottscheisse anhängen lässt, wenn wir über den Beruf reden. Über Pflege, Herrgottscheisse.

Vorarbeiten, das ist zum Beispiel ein Thema, an das sich das wunderbar anhängen lässt. Vorarbeiten ist der sinnloseste Mist. Am Anfang, so erklärt man, sind das Arbeiten, die man macht, falls noch Zeit übrig ist, um für den nächsten Dienst vorzuarbeiten, damit die das nicht so schwer haben… Falls man noch Zeit hat… HAHAHAHA… und es dauert gar nicht lange, Arbeitslisten hin oder her, da wird diese Vorarbeit dann erwartet. Sie gehört einfach zu dem, was man zu leisten hat, über den Faktor Zeit redet niemand mehr. Am Ende entschuldigt man sich für die nicht geleistete Mehrarbeit und es wird sich stattdessen nicht mehr für das Vorarbeiten bedankt. So läuft das. Herrgottscheisse. Es ist der größte Blödsinn, den sich Schichten je ausgedacht haben. Weil einfach seit Jahren niemand mehr „noch Zeit übrig hat“. Zeit übrig haben.. Herrgottscheisse… was für eine Parallelwelt! Der nächste Dienst arbeitet dann wieder für den nächsten vor.. und nach 24 Stunden schon haben alle für alle vorgearbeitet. Und somit ihre Tätigkeiten einfach nur verlagert. Herrgottscheisse…. weshalb setzen sich die, die Zeit übrig haben, nicht einfach HIN??? Ich habe es nie, nie nie verstanden. Vorwaschen, Medis vorstellen, Vorschreiben, Vorbestellen, Vorkochen…

Auch ansonsten keinen alle durch zu sein. Herrgottscheisse. Deshalb wurde auch die Kammer Niedersachsen gekippt. Zur Freude derer, die keine Kammer wollten. Wer nun dachte, das alles hat ein Ende..nein…. die Posten schleppen sich einfach weiter zur nächsten Kammer, Herrgottscheisse… und witzigerweise habe ich gehört, dass die, die keine Kammer wollten, jetzt alle in den Bochumer Bund eintreten wollen. Da kriegt man noch was für sein Geld. Ich habe auch gehört, dass der Bochumer Bund, also das, wo die Gegner jetzt Mitglied sind, im Errichtungsausschuss der Kammer NRW sitzen. So kann gehen, Herrgottscheisse. Wenn das nicht das Verrückteste ist, was ich je gehört habe. Derweil geht Verdi in den Streik und verwahrt sich gegen eine Nullrunde. Denn laut Arbeitgeber soll es erst in drei Jahren mehr Geld geben. IN DREI JAHREN… Herrgottscheisse! Da ist dann rechnerisch keiner mehr von denen, die heute nicht mehr können, am Bett. So spart man.

Apropos nicht am Bett. Der DBFK fährt gerade eine Aktion für Badezimmer. Die richtigen Bäder würden die ambulante Pflege entlasten. Herrgottscheisse, wann haben die eigentlich nicht mitbekommen, dass die meisten Familien nichts weniger wollen, als die Wohnraumanpassungen mit ihren ambulanten Diensten absprechen? In der Realität posten Angehörige das Essen, das ihren zu Pflegenden gemacht wird und dann regen sie sich auf, das der Pflegedienst nicht eingekauft hat (vom eigenen Geld!). Das ist die Realität… und nicht Badewannen..Herrgottscheisse. IPREG-Patienten würden nichts lieber, als darüber nachdenken, wie sie ihr Bad gestalten, aber dort droht das Gemeinschaftsbad. Herrgottscheisse…. alle reden aneinander vorbei. Das Einzige, was irgendwie fehlt, ist die Firma Kärcher…. das wäre auch realistisch. Aber dafür gibt es noch kein Positionspapier.

Diejenigen, die sich noch vor Kurzem um Kammer und Nichtkammer gekloppt haben, kloppen sich jetzt also um Verdi und Nichtverdi. Und dabei wurde etwas übersehen. Jens Spahn möchte nämlich 20.000 PflegeHILFSkräfte gegen den Pflegenotstand finanzieren. Herrgottscheisse! Wann endlich kommt in der Politik und bei Entscheidern an, dass es nicht um Hände, sondern um Köpfe und Kompetenz geht? Und wann endlich begreift Pflege, dass nach der Depersonalisierung (Pflege kann jeder) sofort die Deprofessionalisierung kommt, HERRGOTTSCHEISSE! Und wo sollen die 20.000 eintreten? Und werden sie vorarbeiten?

Ich habe noch nie so ein Themenchaos gesehen, wie in diesem Jahr. Oder vielleicht wird es mir auch jetzt erst so richtig klar. Wenn alle über alles reden, redet jeder über nichts. Derweil wird die Basis frustrierter und frustrierter.. und ich frage mich, Herrgottscheisse, weshalb die nicht einfach zur Entlastung mal fluchen?

HERRGOTTSCHEISSE

Es ist mir unbegreiflich, weshalb sich nicht die Basis erstmal auf etwas einigt, worüber man berät. Und dann vertreten das alle gemeinsam. Aber vielleicht ist diese Lösung zu einfach? Vielleicht macht es auch gar keinen Sinn, so eine Lösung zu suchen, Themen zur Auswahl zu stellen. Denn da ja sowieso fast alle in allen Gremien sitzen, kann man den bunten Strauß ja auch auf die paar Nulpen Tulpen reduzieren, die irgendwie alles zu machen scheinen.

Mein professioneller Tipp: Niemals verwirrter agieren, als die Verwirrten, die einen umgeben. Man verwirrt sonst die Verwirrten. Das weiß man eigentlich seit Erwin Böhm, Herrgottscheisse.

Entspannte Grüße

3 Kommentare zu „HERRGOTTSCHEISSE!

  1. Ein wie gewohnt guter Beitrag. Die, die sich durch die Herrgottscheiße gestört fühlen, sind genau die Richtigen, die es trifft.
    Ich hätte nur eine kl itze kleine Frage; wer hat Dir erzählt, daß die Kammergegner beim Bochumer Bund einsteigen?
    Bei einem Verein – ich will ihn nicht Gewerkschaft nennen! -, in dessen Publikationen jede zweite Phrase sich mit der notwendigen Gründung von Pflegekammern beschäftigt?
    Leser könnendie Allermeisten von uns schon.

    Beste Grüße
    Peter

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