Klinikhemden sexy tragen.

AEDL 7: sich kleiden können. Kennt jeder. Sich kleiden können, sagt aber auch aus: wie man will.  An meinem 17. Geburtstag war Schluss damit. Ich kam für 23 Jahre ins Krankenhaus. Krankenhaus – das ist der Hort der Modehölle. Es gibt ja mittlerweile Modeblogger und Modevlogger. Die bekommen einen Haufen Geld dafür, den anderen zu sagen, wie man sich schick und modisch anzieht.

Hier meine Tipps für 1,5 Millionen Krankenschwestern und ihre Patienten.

Farben und Schnitte: 

Es ist allgemeingültige Logik, dass Schwestern Weiß tragen. Hosen heute. Manche tragen auch Babyhellblau. Das ist echt nicht witzig, denn es steht nicht jedem. Begründet wird das mit der Hygiene. Kein Mensch kann erklären, weshalb die dann auf der Intensiv Gelb, Blau und Grün tragen. Ja, wegen der Farbenblindheit. Hand aufs Herz: wann hat es auf der ITSE das letztemal so stark geblutet, dass einer farbenblind geworden ist? Das Ganze ist ein Graus. Die Farbe, der wir im Alltag am meisten begegnen, ist nunmal Gelb. Uringelb, um genau zu sein. Wahlweise Kackbraun. Ich würde mich privat weigern, Braun, Gelb und Blau zusammen zu tragen. Ich würde mich mittlerweile auch dienstlich weigern. Die Schnitte zu den Kasaks und Jogginghosen mit Bindegürtelchen innen würden Joop in den Wahnsinn treiben. Lagerfeld sagte mal: wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Und er hat recht. Bei im Durchschnitt 50 Stunden pro Woche kann keiner von Kontrolle über sein Leben sprechen, wenn er morgens um 4:00 aus dem Bett kraxelt um dann sein Frausein-Mannsein in einen blauen oder weißen Hosensack zu stecken. Es reduziert einen einfach auf ein uniformiertes Wesen, das dazu geboren ist, im Nichts des weißen Heeres zu verschwinden. Da kriege ich die weiße Wut. Manche Kliniken haben als modischen Chick eine farbliche Ecke in der Dienstkleidung. Ich nannte sie Aktionsecke. Rosa für die Schülerinnen und Schüler – ROSA- und Mint für die Examinierten. Kau dich frisch. Es ist und bleibt ein Gau und jeden Morgen gehen also in eine Klinik ca. 300 Individuen, um dann in einem Einheitsbrei an Jogginghosen ihren Tag zu verbringen.

Man kann das aufpeppen. Eine Klemme an der Kitteltasche sorgt neben der Griffbereitschaft in Hüfthöhe auch für ein gewisses Glitzern. Gleichzeitig ist es eine Warnung an Arschgrapscher und Konsorten: Du kannst und wirst Dir hier wehtun, Burschi.

Socken und Schuhe: Was ich in meinem Leben an verzweifelten Versuchen unternommen habe, ein ganz minibisserl Privatheit an meinen Körper zu bekommen, geht auf keine Kuhhaut. Weihnachtssocken. Ostersocken. Mit lustigen Hasen und Rentiernasen und Glöckchen. Ich sag Euch eins: wenn sie nicht mehr weiterwissen, dann kommen sie Euch mit Hygiene. In einer Klinik, die auf durchscheinende Wäsche steht, wurde angeordnet, dass die Schwestern in weißer Unterwäsche zu erscheinen hätten. Tataaa- fast wären wir NICHT im praktischen Einheitsschlüppa zum Arbeiten erschienen. Na, den Flitz haben sie uns ganz schnell ausgetrieben. Ob man sich beschwert hat? Ja. Ich habe dann trotzig Schwarz und Rosa getragen.

Schuhe. Vom Clog, über Federschuhe, orthopädische Rückenschützer, Latschen in allen Farben und Formen (NEIN, Birkenstock ist NICHT sexy! NEIN! auch nicht mit Schafkopf links und Schafarsch rechts!) und auch Turnschuhe. Ich sags Euch: es ist nichts Hübsches dabei. Die Abartigkeit total hingegen sind Moosgummischuhe mit – Privatheitsversuch 281616- kleinen Ansteckern dran. Ja, ich rede von Crocks. Eine Zumutung, in den Dingern auf eine Leiter zu steigen oder zu laufen. Und die meisten Kollegen schlurfen mit Crocks und Latschen über den Gang. Das Geräusch macht mich aggressiv. Heb doch die Botten, blöde Kuh! Es macht sich überdies auch keiner eine Vorstellung, wie alte Schuhe in Umkleidekabinen stinken.

Accesoirs: Na, wer von Euch hat auch die Taschen voller Kleinzeug? Braunülen, mit denen man eine ganze Fußballmannschaft versorgen könnte, Pflaster für alle Größen und auch ne Rolle braunes Pflaster an der obligatorischen Schmuckklemme. Ich befürchte: das ist einfach der Versuch, den Busen durch Vollstopfen der Brusttaschen größer zu machen. Es ist aber auch der erbauliche Versuch, seinen Rücken beim Bücken zu schützen. Nach vorne bücken – das macht man genau ein einziges Mal. Bis man dann den ganzen Kram wieder aufgehoben hat, hat man verinnerlicht, dass man lieber in die Knie geht. Ich hatte mal eine Kollegin, die TG als Socken trug. Ich finde, das ist kein Ausweg.

Patienten: Ich habe stets betont, wenn es Quengeleien gab, dass das Nachthemd scheisse aussähe, dass es sich hier um ein Frühwerk eines bekannten Designers im Alter von drei Jahren handelt. Ich habe gelogen.Eigentlich, still und heimlich, verlangen meine Augen bis heute Schmerzensgeld für den Anblick. Den Anblick von Millionen schamlos rausgestreckter Ärsche aus dem weißen, kleinblumigen Zwirn. ALDA! Es gibt da ein zweites Bänsel, das können die ruhig benutzen. Es ist auch ohne korrektes Anziehen schon genug.

Accesoirs: Ich habe nicht gezählt, wie oft sich Leute ihren Urinbeutel vom Dauerkatheter an die Morgenrocktasche steckten. Ich will dann aber kein Geheule über die Blasenentzündungen beim Rücklaufen des Urins. Und auch Netzschlübba sind keine Alternative. Ich habe dafür die Verbesserung noch nicht gefunden. Finde aber, dass ein Schlafanzug eine wundervolle Sache sein kann. Früher haben die sowas sogar verkauft. Sogar vor 30 Minuten noch. Antithrombosestrümpfe runtergerollt: doch, passiert, sieht aber auch nicht sexier aus. Ist zudem auch nicht hilfreich.

Fazit: Als Modeblogger im Klinikbereich gäbe es eine Menge zu tun. Bis das Projekt endet, empfehle ich die dunklen Bergsteiger-Sonnenbrillen. Dann musste das Elend wenigstens nicht sehen

5 Kommentare zu „Klinikhemden sexy tragen.

  1. Da lobe ich mir doch die angelsächsischen Gefilde, wo es Schwesternuniformen mit Rangabzeichen gibt.
    Und jede Schule hat ihre eigene Schwesterntracht mit Gürtel und schuleigenem Emblem als Koppelschloß.
    Letzteres ist meist aus Silber und diese nurse belt buckles sind gesuchte Sammelobjekte.

    http://www.petersnursingcollectables.com/shop.php?c=5

    Einen belt buckle des Royal Masonic Hospital findet Du als Profilbild meines FB-Accounts.

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  2. Ein Patient hat sich mal über mich beschwert, weil ich während der Mens in meine weisse Hose geblutet hatte (ohne es zu bemerken). Die SL stimmte ihm tatsächlich zu(!). Es hätte mir ja auffallen sollen (ja, ich hab ja auch Augen am Arsch).

    Als ich im nächsten Dienst von der ITS blaue Hosen holen ging (die mir die Kollegen gerne abgaben), bekam ich von der SL wieder was zu hören, weil wir auf der Peripherie weiss zu tragen haben.

    Bin da weg aber trage beim neuen AG immer noch weiß und blute jeden Monat mind ein Mal durch (wie VIELE meiner Kolleginnen auch) 🙄 in einem Job mit >90% Frauenanteil grenzen weisse Hosen an Misogynie

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      1. Naja wir sind public property. Wir gehören allen und niemanden aber vor allem nicht uns selbst 😉

        Da wird man fürs trinken angemacht, fürs Essen angemacht, für die Pause angemacht (und konsequent immer wieder aus ihr herausgeholt), für den Feierabend angemacht (wurde von Angehörigen schon in ZIVIL nach SCHICHTENDE angesprochen und als ich meine sie sollen meine Kollegin fragen meinte sie „ja das dauert mir zu lang können sie bitte nicht schnell…“), für den Toilettengang angemacht, für die Kinder angemacht, im krank angemacht, für die SSW angemacht, für Arbeitszeitreduktion, Pflexit, Studium, Weiterbildungen, Streiks, Lohnerhöhungswünsche, Sorgen teilen, Social Media nutzen…

        Du verstehst. Das wird hier sonst zu nem Roman.

        Ich wäre ja gerne nicht durchgeblutet aber bei 16 Patienten auf ner Chirurgie kann ich nun mal nicht so häufig die Hygieneartikel austauschen gehen und wenn man ne starke Regel hat, hat man Probleme. Wie sagte meine SL damals: „dann tu dir n Tampon rein und ne Binde und das reicht“. Ja. Wie bin ich nicht selbst drauf gekommen.

        Egal noch -5 Monate bis Pflexit 🙂

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      2. Ich wünsche Dir das Beste. Und ja, ähnliche Geschichten gibt es leider zuhauf 😖

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