Pflegende mit Migrationshintergrund: meine diskriminierten Kollegen zwischen eifriger Fröhlichkeit und Islamophobie

Eifrige Fröhlichkeit, das sei ihre wichtigste Ressource, sagt in der Zeit PDL Volker Lange zu seiner neuen chinesischen Mitarbeitenden und niemand findet etwas dabei, wenn er der hochqualifizierten Kollegin mit Gesundheitsstudium dabei in den Arm kneift. So stand es in der Zeit zu lesen. Doch nicht nur körperliche Übergriffe waren auf den Seiten des Artikels zu lesen, sondern Rassismus pur.

„Lange hat in all den Jahren seine Erfahrungen mit den Mitarbeitern gemacht, er hat da keine Scheu vor Verallgemeinerungen. 

Männliche Pfleger vom Balkan: „Muttersöhnchen. Kannst du in der Regel in der Pfeife rauchen.“

Pflegekräfte aus muslimischen Ländern: „Schwierig – viele wollen wegen ihrer Religion keine Senioren des anderen Geschlechtes waschen.“

Aus Südeuropa: „Kommen ständig zu spät. Und finden es bei uns zu kalt.“ war dort zu lesen. Und dass das Netz nicht ob des Rassismus tobt, ist mir ein Rätsel. Warum ist in der Pflege gesellschaftlich kein Tabu, was außerhalb der Betreibermauern zu äußerster berechtigter Empörung führen würde? Eine Spurensuche.

Pflege und Migration gehören zusammen. Schon im 12. Jahrhundert finde ich nicht nur übersiedelnde Klosterbrüdern und -schwestern, die woandershin aufbrechen, um dort Kranke zu versorgen. Reisen und Pflegen, dort, wo es benötigt wird, gehören zusammen wie Butter und Brot. Florence und Mary reisten auf die Krim in den Krieg, Patienten pilgerten dorthin, wo sie sich Heilung erwarteten.

Deutschland bedarf der Pflegenden. Doch nirgendwo ist es so schwer anzukommen, wie in Deutschland. Wer je versucht hat, Kolleg*innen bei der beruflichen Anerkennung zu unterstützen, der begreift schnell, dass je Bundesland verschiedene Papierhürden zu nehmen sind, größer als der Mount Everest mit Schnee drauf.

Und selbst, wenn es geschafft ist, das bewiesen die 1960er Kollegen aus Korea, laufen Kollegen oftmals vor eine Wand der strukturellen Diskriminierung und des Rassismus – und danach meistens weg.

Pflege, ein Beruf, den zumeist Frauen ausüben, wurde oft von Männern geformt. Männer, die in Verwaltungen oder die in den oberen Hierarchien, wollen in Pflegenden ihre persönlichen Traumfrauen verkörpert sehen. Fleißig sollen sie sein, anspruchslos, folgsam, duldsam, gehorsam und – umsonst.

Nachdem nun Pflege immer mehr den Geruch des schlechten Berufs bekommt, nachdem sich mehr und mehr Kollegen professionell abgrenzen, scheint man zu hoffen, dass sich Menschen, bzw. Menschinnen mit Migrationshintergrund dankbar erweisen und ihre Rechte nicht einfordern.

Im Fall der von der Zeit erwähnten chinesischen Kollegin mangelt es nicht an rassistischen Stereotypen. Fleißig, fröhlich, folgsam. Dass sich mit dieser öffentlichen Äußerung ein rassistisches Stereotyp mit einem weiblichen vermengt, macht die Sache keineswegs einfacher. Ganze Arbeiten sind schon zu „Sexotic“ verfasst worden, zum vermeintlich Reiz des Anderen und wer sich einmal gruseln möchte, der googelt, was Männer über asiatische Frauen zu sagen haben.

Neben Pflege vermengen ich hier also durchaus sexistische Motive. Kein Wunder also, dass besagtem Herrn „Pfleger vom Balkan“ nicht gefallen. For obvious reasons.

Auch die Protagonistin auch China ist gegangen, vom Altenheim in eine Klinik. Denn körpernahe Arbeiten machen Akademikerinnen in anderen Ländern nicht. Das ist seit Jahren bekannt. Nur in Deutschland will, will, will man nicht wahrhaben, dass Pflege sich mit dem überkommenen Modell All in one deprofessionalisiert. Ich schäme mich für Menschen wie Herrn Lange fremd.

Ich schäme mich, weil ich aus multikulturellen Teams komme, in einer multikulturellen Stadt mit vielen Herkünften lebe und es nicht aushalte, dass wir wieder und immer noch Kopftuchdebatten, Herkunftsdebatten, Religionsdebatten haben, wenn wir über Profis in der Pflege reden. Von „meine Polin“ über diese unsäglichen Sprüche da oben, trieft der Diskurs vor Ressantiments und Frauenfeindlichkeit über. Noch immer also dürfen Frauen nichts ein, wer sie wollen, wenn sie in der Pflege sind. Sie sollen einem längst schon untergegangenem Idealbild entsprechen und obgleich es Personalmangel gibt, finden Leiter nichts dabei, diese unheilige Mischung aus allem, wo sich das Suffix – phobie dranhängen lassen kann, voll auszuleben.

In keinem anderen Beruf werden Akademikerinnen degradiert, spielt die Frage nach „welche Form von Frau“ bist Du eine Rolle. Es riecht. Es riecht nach der Frage, wann man in der Pflege wen einstellt? Erhofft man sich von migrantischstämmigen Frauen Gehorsam, weil man einen patriarchalisch geprägten familiären Hintergrund vermutet, durch dessen Sozialisierung man sich fügsame Mitarbeiter erhofft? Oder was verbirgt sich hinter dem Ressentiment des Nicht-waschen-wegen-der Religion-Arguments des Herrn Lange? Es ist doch bitte jedem klar, dass selbstbestimmt sein keine Frage der Religion ist. (Und wem das nicht klar ist, der kann gerne einen Nachtdienst mit meinen Kolleginnen Hatice und Fatma auf der ZNA verbringen, die bringen ihm das flugs bei)

Es besorgt mich, diese Entwicklung von außen zu sehen. Zu sehen, wie Frau als Human Ressource mit stereotypen Zuschreibungen als Mitarbeitende ausgewählt werden. Das können wir alle gemeinsam nicht zulassen.

Neben der strukturellen Diskriminierung von Frauen muss dringend auch die strukturelle Diskriminierung von Frauen mit Migrationshintergrund Thema in der Pflege werden.

China wollte von uns lernen. Sie haben nun gelernt, dass wir eines nicht sind: was sie brauchen, um ihren eigenen Pflegenotstand zu beherrschen. Und wie man hier mit Frauen umgeht.

Vielleicht liest das ja ein Mensch aus China, der Lust am Entwickeln von Strategien hat. Wir haben sie. Wirklich. Es will sie nur niemand hören. Und diese Strategien beinhalten nicht Übergriffigkeit und Täuschen von Frauen.

4 Kommentare zu „Pflegende mit Migrationshintergrund: meine diskriminierten Kollegen zwischen eifriger Fröhlichkeit und Islamophobie

  1. „Denn körpernahe Arbeiten machen Akademikerinnen in anderen Ländern nicht.“ Die Sache mit dem Waschen ist so einfach nicht abzutun. Waschungen sind mehrperspektivisch. Sie werden nicht nur zur Körperreinigung verwendet. Sie werden auch als therapeutische, neurophysiologische oder basal-stimulierende, belebende/beruhigende Waschungen genutzt, hautstabilisierend oder schweißreduzierend. Wenn Waschung als tägliches Reinigungsritual genutzt wird, dann ist sie auch aktivierend, Ressourcen-fördernd, Hautbeobachtung &Hautpflege, Prophylaxen werden damit gefördert. Das ist sehr wohl hoch angesiedelt. Auch im akademischen Pflegebereich. Hilfspersonal kann diesem Anspruchsniveau niemals genügen.

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    1. Kulturelle Unterschiede zu erfassen und zu berücksichtigen gehört nunmal dazu. Mit eurozentrischer Sicht auf Pflege kann global nicht gepunktet werden.

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      1. „Ich habe 5 Pat. zu waschen“.
        In meiner Realität ist das eine Aussage, die in Deutschland den Professionalitätsgrad der Pflegenden widerspiegelt. Damit ist eben nicht gemeint, dass man eine pflegetherapeutige Waschung durchführt. Man diskutiert über einen Standard, ob Beine alle zwei oder drei Tage (ab)gewaschen werden müssen. Ein Standard mit hoher Reichweite, auf jeden Menschen anwendbar.

        „Ich habe 5 Pat. zu waschen“, bedeutet auch:
        gib mir einen Azubi von einer anderen Station, damit er das macht. Praktikant:innen tun es manchmal auch. Oder irgendwer, der gerade verfügbar ist, damit ich was anderes machen kann.

        Wir schicken nun Fachpersonen mit einem ausländischen Studium in DIESE Realität. Wir sagen nicht, welche pflegetherapeutischen Ziel sich hinter den Waschritualen verbergen (sollen). Wir weisen nichts Evidenzbasiertes vor, womit wir 2-tägiges Beinewaschen erklären. Wir geben kaum Erklärungen, sondern sagen, dass es „in Deutschland halt dazugehört“.

        Ja, ich teile die Sichtweise von Mel B und versuche schon in Vorstellungsgesprächen die Unterscheidung zwischen Laienpflege eines Angehörigen im eigenen Land und professioneller Pflege (v.a. in der Langzeitpflege) mit den Bewerbenden zu reflektieren. Ungeachtet, dass wahrscheinlich jeder denkt, dass ich keine Ahnung von der Praxis habe, sobald er sie in Deutschland erlebt hat.

        Die deutschen Pflegenden müssen sich da leider auch der berechtigten Kritik der ausländischen Kolleginnen und Kollegen stellen, wenn sie die Arbeitsweise als unprofessionell beurteilen. Und da sind wir bei den Stereotypen eines Herrn Lange: Es gibt kulturelle Prägungen, die verbieten es, dies laut zu äußern – und wiederum andere, die wurden in einem Umfeld mit niedrigerer Machtdistanz sozialisiert. Damit will ich sagen: die Mehrzahl der internationalen Pflegenden werden das gleiche Bild von den Pflegenden in Deutschland haben. Sie werden dies nur unterschiedlich offen kommunizieren.

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      2. Ich finde diese Verengung auf Waschen auch unsäglich. Und ic finde, genau diese Brücke zwischen den Kulturen mal zu begehen, hätte seit den Kollegen aus Korea viel gebracht und Enttäuschungen vermieden.

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