„Du heißt hier, wie wir wollen!“ – Wie eine Station Gulkaja ihren Namen nahm. Nurses eat their Young XXL.

Namen sind etwas Magisches. Schon bevor wir geboren werden, dreht sich alles um die Frage, wer wir sind. Unsere Eltern suchen -nicht selten mit etwas hilfloser Liebe- die Anrede für uns aus, die uns unser Leben lang begleiten wird und die uns ausmacht. Sie sind Bestandteil unserer Identität, wenn nicht gar unsere Identität selbst. Deadnames zeugen davon, dass mit einem Namen Rollen verbunden sind, die man ablegen kann. Namen verändern sich durch die Zeit, gewinnen Historizität, können zu unangenehmen Stereotypen werden, an denen Eigenschaften festgemacht werden, die uns gar nicht betreffen. So ist nicht nur das Phänomen des Kevinismus entstanden, mein Name ist zum Beispiel das spanische Wort für „Nonne“.

Namen können Freiheiten symbolisieren. So nannte eine Mutter in der DDR ihren Sohn stolz nach einem amerikanischen Schauspieler und – tragischerweise – war der Standesbeamte, der des Englischen nicht mächtig war, nicht in der Lage, „Burt“ zu schreiben, weshalb der nachmalige Mann Zeit seines Lebens Bört heißt.

In der Antike namen freigelassene Sklaven den Namen ihrer Herren an, Flavius Josephus kam so zu seinem (zweiten) Namen. Namen sind es auch, die wir schmachtend in Baumrinden schnitzen, auf Papiere malen, kalligraphieren und mit Schnörkeln versehen. Namen können verbrennen, wie das Theaterstück „Der Vorname“ zeigt, bei der eine Familie damit spielt, ihrem ungeborenen Kind den Namen „Adolf“ geben zu wollen. Namen zeigen Traditionslinien und Stammbäume auf. Namen zeigen, wer wir sind.

Namenlos hingegen sind Anonyme. Namenlose Tote, namenloses Grauen, das Unsagbare, das Unaussprechliche, das ohne Identifikation.

Unsere Namen kommen also aus aller Herren Länder, beweisen einen Kulturtransfer und verdeutlichen die Pluralität einer Gesellschaft. Sie sind nicht unwichtig.
In der Pflege wird seit Jahrzehnten darum gerungen, dass sich Pflegende mit ihrem Nachnamen als Ausdruck des Respekts ansprechen lassen, denn der Vorname ist ein sehr intimes Detail. Er steht im Privatleben nur engen Freunden und der Familie zu, er ist also Preisgabe, privat und das Nennen beim (Vor)Namen suggeriert eine Intimität, die der professionellen Distanz entgegensteht. Dazu kommt noch der unsägliche Pseudotitel Schwester, der bald zum ebenso unsäglichen Namensüberbegriff für alle Pflegenden wurde. „Schwester, kommen Sie mal!“. Nichts symbolisiert wohl stärker, wie aus hunderten Persönlichkeiten, die morgens in eine Klinik strömen, eine graue Masse gemacht wird, der jede Individualität abgesprochen wird.

Namen sind nicht immer einfach. Aber wer miteinander arbeitet und sich respektiert, der versteht bald, wie das Gegenüber angesprochen werden möchte.
Nicht so in einer Klinik.

Der Station war es nicht möglich, Gulkaja (die sich ohne l spricht), vernünftig anzureden. Die Kollegin bot einen Kompromiss an. Kaya würde ihr ja reichen. Doch auch das wollten die Kollegen nicht akzeptieren. Katja! Katrin! Und… ganz schlimm… „Du da!“.

Damit hatte man der jungen Kollegin schlicht ihren Namen genommen. Und das, ohne mit der Wimper zu zucken. Menschen, die sozial kompetent für andere Menschen dasein sollen, sprechen also im team jungen Kollegen die Identität ab. Weil sie -das klingt doch unglaublich – nicht in der Lage sind, einen Buchstaben NICHt zu sprechen. Ich frage mich, wie diese Leute Medikamente stellen.

Gulkaja sprach das Problem mehrfach an. Doch in einem Gespräch wurde ihr gesagt, sie habe die Namen zu akzeptieren, die man ihr gebe. Sie sei zum Arbeiten da und solle einfach ihren Job machen. Es durfte klar sein, dass jeder Mensch so nicht mit sich umgehen lässt. Eine Praxisanleiterin stand ihr bei. Sie solle auf ihren Namen bestehen.

Die Situation eskalierte weiter. Es gab nun eine Email, in der die Schule die Praxisanleiterin zurechtweist. Sie hätte das Vorgehen der anderen examinierten Kolleginnen zu akzeptieren.

„Sehr geehrte Frau….. , Sie haben innerhalb eines Beratungsgespräches Frau M. angeraten, auf nicht genehme Anreden schlicht nicht zu reagieren oder aber den korrekt ausgesprochenen Namen zu wiederholen und auf richtige Ansprache zu bestehen. Wir weisen darauf hin, dass es Schülern formal nicht zusteht, sich so über Weisungsberechtigte zu stellen.“ Ein Fortführen des Bestehens auf dem EIGENEN Namen könne als Arbeitsverweigerung ausgelegt werden und arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.“

Ich antworte hier stellvertretend für die junge Kollegin.

„Liebe Schule,

nicht nur verweigern Sie einer Schülerin, mithin einer Schutzbefohlenen, den Schutz und die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht, Sie berauben sie auch ihrer Identität und ihres Namens. Vor 150 Jahren im Kloster, als es bei Eintritt neue Namen gab, wäre Ihr Ansatz mit großem Erfolg zum Tragen gekommen.

Dramatisch ist es, dass es sich dabei noch dazu um einen einfach auszusprechenden Namen handelt. Das Bildungsniveau, vom sozialen Niveau Ihrer Mitarbeiter mal ganz abgesehen, scheint mir in einem desolaten Zustand zu sein. Sie verletzen also das Persönlichkeitsrecht der jungen Kollegin, und halten es für Ihr Recht als „Weisungsbefugter“. Ich halte das für ein NetY Ritual aus der Hölle, wobei ich aufgrund des nicht originär aus dem Deutschen kommenden Namen noch eine ordentliche Prise Rassismus und Diskriminierung sehe. Sollten Sie sich je fragen, weshalb Sie Personalnot haben, könnte es an Ihrem unzeitgemäßen mangelnden Respekt Menschen gegenüber liegen. Mitarbeitende sind keine Unfreien, dem man einen neuen Namen nach Gutsherrenart geben kann. Schüler sind schützenswerte Mitarbeitende und dass Sie in Ihrem Haus Ihre Gruppendynamik nicht unter Kontrolle haben, zeugt von einem gewalttätigen Führungsstil. Ich freue mich, Ihr unsägliches Verhalten breit zu publizieren und werde jedem, der es wissen möchte, den Namen Ihrer Einrichtung verraten. Namenlos sollte nicht Gulkaja werden, sondern Ihr Betrieb, der den Namen Hospital (von Hospes, GASTUNG) nicht zu verdienen scheint. es ist 2021. Passen Sie ihre Arbeitsweise gefälligst der Verfassung an, die die Würde über alles stellt. Diese nehmen Sie Menschen, denen Sie zu Arbeitszwecken ihren Namen rauben. Sie sind ein Fall für die Presse, ein schlechtes Beispiel für Machtmissbrauch und Gewalt und Führung durch Angst, für Entmenschlichung und für Hierarchien des Grauens, eine Blaupause für Berufsflucht. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das in der Öffentlichkeit nicht mehr ungesehen und umkommentiert bleibt.

Mit freundlichen Grüßen

Monja Schünemann

DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR! Sie zu achten und zu schützen ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt.

Liebe Grüße unbekannterweise an Gulkaja. Sprechen Sie mir alle nach: Gu(l)kaja. Nicht, „Du da!“, nicht Katrin, nicht Kaya.

5 Kommentare zu „„Du heißt hier, wie wir wollen!“ – Wie eine Station Gulkaja ihren Namen nahm. Nurses eat their Young XXL.

  1. Das kann ich bezeugen. Ich hatte einmal eine Kollegin, die nannten alle Natascha. Irgendwann sah ich auf dem Dienstplan ihren Namen. Natalja. Ich fragte sie, warum alle sie Natascha nennen. Sie wußte es nicht. Ich fragte sie, warum sie sich das gefallen ließe. Sie meinte, sie wolle keinen Ärger. Ich habe sie ab da immer Natalja genannt. Sie hat sich immer gefreut und ich fühlte mich ihr immer nah.
    Der richtige Name verbindet, er ist immer der Schönste.
    LG Michael

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    1. Natascha ist die russische Koseform von Natalja.
      Allerdings sollte man schon um Erlaubnis fragen, ob man jemanden bei der Kurz-oder Koseform seines Namens nennen darf.
      Nicht jede Natalja möchte Natascha gerufen werden, so manche Stephanie findet Steffi eine Zumutung und auch nicht jeder Thomas mag zum Tommy degradiert werden. Etc pp.
      Das kann doch eigentlich nicht so schwer sein.
      Ist es aber offenbar leider doch.

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  2. Ich bin sehr häufig auch so fassungslos wie mit neuen Kollegen/ Auszubildenden etc umgegangen wird.
    Erstens: Wie geschrieben: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
    Zweitens: alle jammern ständig, dass kein Personal da ist… ja warum vergrault man es denn so?
    Es ist so traurig. Die Pflege schaufelt ihr eigenes Grab.

    Auf einer Intensivstation wurde eine Schülerin mal so vorgeführt, dass kann man sich nicht vorstellen.

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  3. Ich hatte mal eine Schülerin in der Krankenpflegeschule, deren (türkischen) Namen ich immer nur geschrieben gesehen hatte. Irgendwann stellte sie sich mal persönlich mit ganzem Namen vor, und ich sagte dazu „oh super, war mir gar nicht so klar, jetzt weiß ich endlich, wie man ihren Namen richtig ausspricht!“ und konnte sie ab sofort richtig ansprechen.
    Kollegin Lehrerin für Pflegeberufe dazu: „ist mir egal, ich sag weiterhin [deutsche Aussprache] zu ihr“
    Und es ist wirklich nicht schwierig, ein S wie ein sch auszusprechen….

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