Es war der erste Satz der Pandemie. „We are at war!“. Der ist zwei Jahre her. Damals, als man Kriegssprache benutzte, um die Dramatik der Pandemie hervorzuheben, standen (und stehen bis heute) Pflegende an der „Coronafront“, stellten sich dem personifizierten Virus-Feind entgegen. Sie würden Helden sein, sagte man. damals. Im Bundestag. Eine Milliarde verteilt man seitdem notdürftig und ungerecht auf die einzelnen Köpfe, die die Last der Pandemie getragen haben und sie immer noch tragen. Auf die meisten regnet davon: nichts. Sie sind MTAs, anderweitig Angestellte. Man bat damals um Geduld. Danach, ja danach würde sich etwas ändern. Dass das Gesundheitssystem marode ist, das sah man damals. Gehandelt wurde nicht.
Das ist zwei Jahre her. Geändert hat sich nichts.
Fünft Tage hat Putin gebraucht, um Europa in ein erneutes Chaos zu stürzen. Wieder sind wir „at war“ und es ist unzweifelhaft, dass die Ukraine Hilfe benötigt. Dass die Bundeswehr marode ist, das sieht man jetzt und es dauerte genau eine Woche, da stehen 100 Milliarden bereit, um Waffen zu kaufen, für die, die die Helden der Pandemie nun ablösen.
Neue Helden braucht das Land.
Die Demokratie sei gefährdet.
Die Demokratie ist auch hierzulande gefährdet. In nur zwanzig Jahren werden zumeist Frauen an einem freien Leben nicht mehr teilnehmen können. Sie werden ihre Angehörigen pflegen müssen. Sie können sich dann ihr Leben nicht mehr aussuchen.
Menschenleben seien gefährdet.
Missed Nursing Care und Nosokomialinfektionen kosten bis zu 30.000 Menschenleben pro Jahr in diesem Land. 270 Pflegende sind in der Pandemie gestorben.
Bildung, Kultur, Hartz. Nie ist Geld da. Aber Bildung, Pflege und Kultur, das ist nicht das Gleiche wie Waffen. Waffen sind Wirtschaft. Nun, die Pflege ist die zweitgrößte Wirtschaftsbranche des Landes. Aber sie ist Investitionen und Veränderungen nicht wert.
Realer als die Vorstellung, Putin könnte am Brandenburger Tor auftauchen, ist die Tatsache, dass Menschen sterben, weil unsere Gesundheitspolitik nicht belastbar ist.
Coronas Spätfolgen, LongCOvid, die versäumten Therapien durch Corona in den Psychiatrien, die Burnouts, die Berufsfluchten, die Depressionen…. sie sind genauso am Horizont zu sehen. Aber sie interessieren niemanden.
Warum?
Der Soldat per se kämpft nicht gegen eine Gedenkmünze. Er ist zumeist männlich. Frauen, die an der Gesundheitsfront seit Jahrzehnten um Menschenleben kämpfen, sind weiblich. Sie brauchen offenbar dazu kein Equipment, keine Personalstärke. Sie haben ja ein gutes Herz und ihre Berufung.
Die Bedrohung durch Krieg fühlt der Bürger ganz real. Die Bedrohung durch eine Nosokomialinfektion oder Personalmangel zu sterben – wie er überhaupt nicht gerne ans Alter denkt- die interessiert ihn nicht. Das sollen andere regeln.
Von Übernahme bettlägeriger Ukrainer war die Tage auf Twitter zu lesen. Das ist witzig. Denn in die Zustände hier möchte man niemanden wünschen, zu kommen.
Jedesmal, wenn man dem Gesundheitswesen Hilfe versprach, kam was dazwischen. Das letzte Mal die Wende. Nun ist es wieder ein Ost-West-Konflikt, der die Politik die Veränderungen im Gesundheitswesen vergessen lässt. Versprechungen, das sind Worte, geschrieben in den Küstensand bei Nebel. Nun sind sie dahin und niemanden interessieren sie mehr.
Wieder soll die Pflege durchhalten. Bis zum Nächstenmal, wenn sie wieder systemrelevant sind.
Einhundert Milliarden Euro!
Und alle sind ganz glückselig vor Waffentaumel. Niemand hat Lust, das zu hinterfragen.
Es ist, so verstehe ich das, nicht so, dass wir mit den Waffen für einhundert Milliarden den Ukrainern beistehen. Ganz im Gegenteil. Wir rüsten also auf für den Eventualitätssfall. Aber es lässt ich gut verbinden, es scheint zu logisch: Man muss jetzt aufrüsten.
Nicht logisch schien es, Geld für das Gesundheitssystem locker zu machen, es aufzurüsten.
Wofür? Nun, nicht nur für den Normalitätsfall, sondern auch für weitere Pandemien, für Kriege und für die Daseinsfürsorge.
Atomstrom ist die neue Nachhaltigkeit.
Krieg ist der neue Frieden.
Wer das nicht unterstützt, der, so scheint es, steht nicht mit der Ukraine.
Das ist absurd, weil die Ukraine eben von der Aufrüstung nichts hat.
Aber die Wirtschaft, die durch die Pandemie am Boden lag, hat jetzt einen Auftrag: einen für 100 Milliarden. Der Ukrainekrieg hat also schon jetzt manche finanziell gesundgestoßen.
Pflegende haben eine Gedenkmünze und einen Lavendel bekommen.
Ich bin sehr gespannt, ob im nächsten Sommer ein einzelner Lavendeltopf für die Soldaten gepflanzt wird, oder ob man sich das politisch nicht traut.