Während der Pandemie dachte ich, ich hätte wirklich alles gesehen, was es an Diskriminierung von Pflegenden zu sehen gäbe. Benachteiligung, weil man nichts ins Homeoffice durfte, unzureichendes Schutzmaterial und wie die Fliegen sterbende Kolleg*innen, weil es einfach niemanden scherte. Schließlich wurde ja die Aufopferung Pflegender beschworen – und die meinten das ernst.
Hunderttausende aus den Gesundheitsberufen infizierten sich. Ungeklärt viele bekamen nach der Infektion LongCovid Symptome. Müdigkeit, Einschränkung der Merkfähigkeit und andere, weitreichende neurologische Symptome.
Es ist klar: wer diesen Marathonlauf in der Pflege durch die Pandemie mitgemacht hat und selbst erkrankte, der braucht eigentlich sofort Hilfe. Nicht nur aus medizinischen Gründen, sondern auch, weil er sich die Gesundheit ruiniert hat, während alle im Homeoffice vor sich hinchillten, sicher und versorgt mit Klopapier und allen Pastasorten, die da Herz begehrt.
Jetzt gibt es ASAP. Nein, das heisst nicht „as soon as possible“ sondern „Assistierte sofortige augmentierte Post/LongCovid Plan“. Eine Studie, gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (!!) will jetzt helfen.
Menschen, die im Alltag kaum funktionsfähig seien, sollen deshalb an einer Studie teilnehmen. „Wir suchen nach Studienteilnehmer:innen im erwerbsfähigen Alter (18-60 Jahre), die in Bayern wohnhaft sind, an COVID-19 erkrankt waren und seitdem Symptome haben bzw. neue Symptome auf die Infektion mit SARS-CoV2 zurückführen. Dazu zählen zum Beispiel anhaltende Erschöpfung, ein fehlender Geruchssinn oder auch psychische Beschwerden.“
Der Haken? Will man teilnehmen, dann muss man folgende Bedingungen erfüllen:
- Sie sind zwischen 18 und 60 Jahre alt
- –Sie hatten eine vermutete oder nachgewiesene COVID-19-Erkrankung
- –Sie kommen aus Bayern
- –Sie wurden aufgrund Ihrer (Post-/Long-COVID-)Symptome noch nicht oder nur unzureichend versorgt
Und: man darf unter keinen Umständen aus dem Gesundheit-oder Pflegebereich kommen!
Ja, so habe ich auch geguckt. Die, die am meisten für die Gesellschaft getan haben, die sind bei dieser Studie nicht erwünscht. Warum? Das erzählen die Forscher aus der Studie nicht. Keine optimale Unterstützung für Bayerische Pflegende also. Ob da wieder das Wort Holletscheks gilt „Vergelts Gott sei auch keine schlechte Währung!“? Man weiß es nicht.
Was der Benefit der Teilnehmer ist? „Dr. Cordes betreut das ASAP-Projekt in der Dr. Becker Kiliani-Klinik. „Die Patienten werden danach unsere Klinik mit klaren Empfehlungen für die weitere Behandlung verlassen“, so Dr. Cordes. Das könne z. B. eine stationäre Rehabilitation sein oder Empfehlungen für ambulante Maßnahmen wie Bewegungstherapie, Atemübungen oder psychotherapeutische Betreuung. Während der gesamten Projektlaufzeit begleiten Lots:innen die Teilnehmer:innen und stehen ihnen für Fragen zur Verfügung.“
Außer, man ist aus der Pflege. Oder dem Labor. Oder war sonstwie mit Covid konfrontiert.
Ob man gar befürchtet, mit echten Daten von Pflegenden konfrontiert zu werden, die sich, obwohl sie nicht mehr können, trotzdem immer zur Arbeit schleppen? Man weiß es nicht.
Man weiß auch nicht, weshalb Laboranten davon ausgenommen wurden oder wie genau sich Wohlfahrtspflege definiert. Sicher ist nur: Das hier wird – paradox – zwar vom Ministerium für Pflege initiiert und unterstützt, aber IHR seid (mal wieder) nicht gemeint.
Ich darf das verdächtig widerlich finden, solange man mir nicht den Grund sagt, weshalb es nun auch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei LongCovid gibt.
Und deshalb: Nein, ASAP unterstütze ich as soon as possible nicht.
Es ist mir ein Rätsel, weshalb die Presse da nicht nachfragt oder gar die Studienleiter das alles erklären. Vielleicht, weil man glaubt, Nurses fänden das eh nicht raus. Vielleicht, weil man glaubt, Nurses seien tatsächlich besser beim Arbeiten als bei einer Rehabilitationsmaßnahme aufgehoben.
Ich verstehe, weshalb man Adulte dafür sucht. Aber ich verstehe die Diskriminierung von Pflegenden als Ausschlussgruppe nicht. Ich will sie auch gar nicht verstehen. Ich will schlicht, dass es sowas nicht gibt. Ich will, dass die, die sich den Arsch für uns aufgerissen haben, die bestmögliche Behandlung bekommen. Sie bekamen schon kein Geld und kein Frei. Nun bekommen sie auch keine Chance. Mit welchem verdammten Recht eigentlich ist Dein Leben und Deine Gesundheit nichts mehr wert, wenn Du in der Pflege bist?
Die eigentlichen Bedingungen lauten also: Wenn du hinter Klopapiermauern Covid bekommen hast, dann komm gerne her. Kommst Du aber aus der Gesundheitsversorgung, dann geh arbeiten, vergelts Gott. Wir brauchen Dich am Bett und nicht bei der Rehabilitation.
Und vielleicht kommt mir da ein bisschen Kotze hoch.