Nun pfiffen es also die Scharfschützen von den Sylter Reetdächern: Sicherheit ist eine wichtige Sache. Und deshalb durfte der Steuerzahler die Sicherheitsvorkehrungen für die VIP-Hochzeit zahlen. Das mit der Sicherheit ist Pflegenden nicht neu. Unter ABEDL 11 der Aktivitäten des täglichen Lebens sollen Pflegende ganzheitlich für Sicherheit derer sorgen, die sie pflegen. Pflegende sind also quasi die Pflegesniper derer, die, genau wie Lindner, nicht in der Lage sind, für ihre eigene Sicherheit zu sorgen. Tut man das nicht, ist deren Leben bedroht. Die Folgen sind: Stürze, Ängste, Suizide, Unfälle, Ersticken, falsche Medikamente… die Liste ist lang.
Aber während es für den FDP Minister anscheinend völlig normal ist, dass der Staat für seine und die Sicherheit seiner Gäste aufkommt, ist die Sicherheit in Pflegeeinrichtungen schon lange nicht mehr gegeben. Im SGB kommt dieses Sicherheitsbedüfnis nur noch am Rande vor. Sicherheit benötigt, genau wie Lindners Snipertruppe, ausreichend Personal, um überhaupt was gewährleisten zu können. Für Alte und Kranke geht das schon lange nicht mehr. Wie oft es vollends danebengeht, das weiß niemand so genau. Wer keine Daten erhebt, kann nichts Unangenehmes rausfinden (praktisch, oder?). Aber es passiert. Das Zeigt auch das Schwarzbuch Pflege.
Sicherheit also kann sich nur der leisten, der das Geld dafür hat – oder es sich einfach feist nimmt. Während aber bei Scharfschützen nicht diskutiert wird, weil das eben wichtig ist, spricht die FDP bei Ausgaben für Pflege von einer „Vollkaskomentalität“, der dringend Einhalt geboten werden müsse. Claudia Raffelhüschen sieht das so: Einschnitte im Sozialbereich sollen helfen. „Den Rotstift müssen wir beim ausufernden Sozialstaat ansetzen und ihn wieder auf ein gesundes Niveau zurückführen“
Es ist eine Feudalmentalität, die da aufblitzt. Wer es sich leisten kann, oder, vielmehr, wer einem nicht den Rotstift ansetzen kann, der kann Sicherheit auf Staatskosten haben, so viel er mag. Wer nicht, der erstickt halt ohne Sauerstoff – und hat das „gesunde Niveau des ausufernden Sozialstaates“ gehörig übertreten. Frei nach dem Motto: Wenn sie keinen Sauerstoff haben, sollen sie doch Luft holen.
Während es in Kliniken und Altenheimen keine Klimaanlagen im Sommer gibt (und auch kein Personal, damit da niemand dursten muss bei 42 Grad) und man den Leuten sagt, man müsse jetzt mal sparen und solle nicht so viel Strom und Benzin verjazzen, flog Friedrich Merz mit dem Privatflieger auf die Insel. Cool. Diesel hat er da nicht verbraten, das ist löblich und schon sicher die Umwelt, weil ja Atomstrom auch umweltfreundlich ist, wird sich zum Beweis schon irgendeine krude Theorie finden lassen. Einen 9Euro-Ticket- Stehplatz im überfüllten Coronaversifften Regionalzug jedenfalls hat Merz niemandem weggenommen. Das ist doch fein. So bürgernah wünscht man sich die Politik im ausufernden Sozialstaat.
Ich möchte gar nicht wissen , wie lange die da alle geduscht haben. Wir selber sollen (und können, weil es teuer ist) ja eh nur noch kalt und schnell mal unter die Brause hüpfen. Auch das ist für Heimbewohner gar nicht neu. Einmal die Woche duschen die in der Regel – falls Personal da ist. Und schnell muss es da auch gehen, denn die paar Minuten, die dafür angesetzt und bewilligt werden, reichen für Energieverschwendung gar nicht aus.
ONEHEALTH heißt das Programm der WHO, nachdem wir Pflegenden darauf achten sollen, dass Pflege nicht die Umwelt belastet. Den Planeten pflegen und Gesundheit fördern, gehören jetzt Hand in Hand. In Deutschland freilich können Pflegende da nicht mitmachen. Aber könnte ich es, würde ich den Rotstift des ausufernden Sozialstaates vielleicht nicht beim Überwachungspersonal für O2-Pflichtige ansetzen und dann was von „Vollkaskomentalität“ höhnen. Heiraten ist ja, zusammen alt werden. Ginge es nach mir, hätte diese Hochzeit also so stattfinden können, wie der Vollkaskosozialstaat seine Alten. leben lässt. Vor einer Woche 3 Minuten duschen, Essen für 1, 50 pro Mahlzeit und Sicherheit ist leider alle. Manchmal zweifle ich tatsächlich, wer der Souverän dieses Landes ist. Im demographischen Wandel hungert und friert der Souverän und seine Bediensteten bedienen sich schamlos. Irgendwas daran gefällt mir nicht.