Meine Stadt hat gewählt. Schon wieder. Den Schlamassel hat uns die Partei Die Partei eingebrockt, und selbst die haben nicht richtig mitbekommen, dass Wahlkampf ist. Entsprechend langweilig war die Wahl – so ohne Plakate.
Plakate und Wahlkampf sind eigentlich das Spannendste zur Wahl. Und ich erinnere mich noch gut an die Bundestagswahl vor 1,5 Jahren. Was HABEN sie uns nicht alles versprochen. „Gute Pflege“ versprach die SPD (und ich hab das fürs Buch gleich aufgeschrieben, weil es so witzig ist – kein Mensch weiß, was die drunter verstehen, aber einfach mal was aufs Plakat schreiben.)
Normalerweise ist Wahlkampf Hochzeit für Influenzier und Co. Kaum einer, der nicht für irgendwas angefragt wird, weil Pflege plötzlich so wahnsinnig wichtig ist. Aber dieses Jahr nicht.
Kein Anruf.
Kein Videodreh.
Nichtmal die parteiinternen Pflegefluencer wurden parteiintern angefragt für ein klitzekleines Statement. Die Seite der Pflegetaskforce setzt Spinnweben an.
Franziska Giffey hat NICHT betont, wie wichtig gute Pflege ist und auch die Grünen kamen nicht mit einem neuen absurden Papier um die Ecke. Sogar Frau Moll hat man nicht vom Rottweilerstreicheln und Gummihuhnköpfen abkommandiert, um ein winziges Sätzchen unter der kecken Dauerwelle zu sagen. Langweilig.
Und wisst Ihr, was das Tolles bedeutet?
Wir sind den Leuten und den Abgeordneten schnurzpiepegal.
Nix mehr mit Heldentum, auch nicht wichtig. So egal, dass man nicht mal mehr Bock hat, uns zu instrumentalisieren.
Lindner, für den Carearbeit ja jagen, fischen, imkern ist, schert sich sowieso nicht um das Sozialthema, und war ja auch beschäftigt, 400 Meter Radweg so richtig zu bekämpfen.
Die einzigen, die das Thema noch bearbeiteten, waren die Leute von der Tierschutzpartei. Dass wir jetzt eingeordnet werden zwischen Schweinefleischhälften, kommt der Sache mit der Massenabfertigung in Kliniken und Altenheimen zwar recht nahe, aber ich würde mich jetzt weit aus dem Pollenhöschen lehnen, wenn ich glaubte, die wüssten, wovon die da reden.
Meine Damen und Herren: ausgelutscht, sagt man. Das Thema ist AUSGELUTSCHT. Es interessiert kein Schwein und nichtmal die Schweinehälfte.
Ich könnte mich jetzt darüber aufregen, aber im Grunde weiß ich, dass das die Wahrheit ist. Sie ist genauso wahr wie in den Jahren, als sie wichtig war, aber nun ist es immerhin offiziell.
Vielleicht bin ich etwas neidisch. In Spanien sind Hunderttausende Bürger auf der Straße, in Deutschland fotografieren unzufriedene AOK-Patienten wieder ihr Essen und jammern in 5 Jahren, wenn ein Drittel der heute schon zu wenigen Pflegenden in Rente sind, dass sie keiner pflegt.
Derweil hat Lauti beschlossen, doch mal irgendwas mit der Würdekampagne zu veranstalten. Das ist auch geil, weil Würde gar nicht richtig definiert ist. Da kann er einfach was mit machen und zack- Würde.
Apropos Würde. Ich hörte läuten, die Grünen hätten meinen „Würde= Konjunktiv“ Wahlslogan gemopst. Aus war es mit meiner Würde. Ganz ohne Konjunktiv. Aber bald gehts wieder los mit Wahlen.
Dann gibts auch wieder Wahlplakate. Das wird schön.
Solange kommen weiterhin keine Kolleg*innen aus dem Ausland, weil keiner Bock auf das Hinterwäldlertum Pflege hier hat, und wir dürfen gespannt sein, was diesmal draufstehen wird.
Morgen ist Valentinstag. Der vielleicht einzige Tag, an dem Herziherz wirklich wichtig ist.
Am Donnerstag ist Karneval. Die Kliniken bei Köln streiken ab Mittwoch.
Das bedeutet, die Süddeutsche wird bald wieder Artikel darüber schreiben, wie böse streikende Pflegekräfte sind.
Ausgerechnet Karneval. Man will doch auch mal Spaß haben.
Irgendwo zirpt eine Grille. Berlin hat (wahrscheinlich) eine neue Regierung. Ändern wird das nix. Es ist ausgelutscht.
Das muss echt ziemlich klasse sein, mit ner Abgeordnetendiät so viel zu verdienen, dass Dir Preise für Pflegedienste einfach völlig egal sein können. So egal, dass Dich das drängende Problem der Generationen einfach nicht interessieren muss.
Ausgelutscht. Das sind auch Pflegende. Pflegende, die keine Kraft und keine Ressourcen mehr haben. Die ersten starken Stimmen haben nun auch die Pflege verlassen. Ich hörte läuten, dass Nina Böhmer nun im Personalrecruiting arbeitet. Nur ich Seppi sitz hier noch, und glaube nach wie vor, dass das Thema wichtig ist.
Manchmal frage ich mich, ob DIE recht haben. Vielleicht müssen wir lernen, die Situation weitere 100 Jahre zu akzeptieren.
Es ist alles so, wie es immer war.
Ich weiß, dass ich in ca. 6 Jahren in Rente gehen werde.Es ist mir bewusst, dass ich niemanden finden werde, der mir hilft, wenn ich klapprig in der Ecke hocke. 45 Jahre erwerbstätig. Wenn ich meinen Rentenbescheid sehe, wird mir grundübel. Der Beruf als Pflegefachkraft ist schön, abwechslungsreich und interessant. Trotz allem würde ich jedem jungen Menschen abraten, ihn zu ergreifen. Nicht jetzt und nicht in naher Zukunft. Wie traurig, dass ich das sagen muss. So geht es nicht weiter. Alle wissen es. Allgemein politische Vogel Strauß Taktik. Irgendwas ist immer wichtiger. Das war auch schon immer so.
Und wehe einer klatscht nochmal und redet von fehlenden Betten.
Pflegeheime haben Betten und freie Zimmer, ABER KEIN PERSONAL. Will auch keiner hören. Jetzt ist es raus. Gute Nacht
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Es ist traurige Realität. Egal, wie es gedreht und gewendet wird, entweder lernen es die Menschen erst, wenn sie selbst betroffen sind oder eben gar nicht.
Ich bin 31 Jahre alt, seit knapp 10 Jahren im Beruf und denke mir einfach, dass es reicht. Die Pflege hofft auf eine Veränderung durch die Politik, das einzige was passiert ist gerade eben das Zierpen einer Grille.
Wir müssen für uns selbst einstehen, mehr gewerkschaftliche Arbeit machen und uns politisch unabhängig einer Kammer ein Ohr verschaffen. Wir müssen anfangen, Druck auszuüben. Der springende Punkt ist: wenn die Pflege streikt ist es Patientengefährdend, angeblich verletzten wir unsere „Pflicht“ – was aber tagtäglich in Kliniken passiert, wo nicht gestreikt wird, sondern ganz normal gearbeitet wird, ist plötzlich keine Pflichtverletzung mehr, wenn auf eine Pflegekraft 15 oder mehr multimorbide Menschen kommen? Oder wenn Ärzte streiken, redet auch keiner von Pflichtverletzung. Witzig oder?
Aufhören zu hoffen und anfangen aktiv zu werden. Das ist die einzige Hoffnung, die ich für unseren Berufsstand sehe. Ansonsten reihe ich mich auch in der Schlange des Pflegexit ein. Denn mir ist mein Leben und meine Gesundheit mehr wert, als eine Hoffnung auf eine eventuelle Veränderung zu Gunsten unseren Berufes.
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