Nachdem gestern NTV verkündete, dass nun Pflegende bei einer Quarantäne 24/7 in den Altenheimen zu bleiben hat, schrieben mich verzweifelte Mütter an. Sie wüssten nicht, wie sie das stemmen sollte. Sie seien Alleinerziehende. In Luxemburg ist die Order rausgekommen, als Pflegende immer für 20 Tage Privatsachen dabei zu haben. Schulen und Kitas fangen an zu schließen. Und die ganz offizielle Begründung, weshalb man das nicht schon vor Tagen machte, war, dass ja so viele Pflegende gäbe, die dann daheim blieben.
Auf Twitter finden sich, wie immer, Menschen, die jetzt gut gemeinte Tipps haben. Man möge doch einfach diese Kinder von Pflegenden in irgendwelche Gruppen stecken. Der AG müsste eben in Turnhallen betreuen lassen. Wo dann der Sinn wäre, wenn einerseits Gruppen verboten seien, damit sich niemand anstecke, andererseits ausgerechnet Kinder von Pflegenden in Gruppen gepfercht würden? Das konterkariert die Aufhebung der Sozialkontakte.
In angeblich tollen Ideen fanden sich Leute, die jeden Tag Kinder aufnehmen wollten. Da sollte das Kind dann rumgereicht werden, wie ein Pflegepokal. Das sei solidarisch. Ja, das fanden viele ganz toll. Einfach Solidarität zeigen, damit die „armen Pflegenden“ weitermachen könnten.
Es fand sich nicht Ein Kommentar, der sich damit beschäftigte, dass Pflegende auch Mütter (und Väter) von Kindern sind und das normale Bedürfnis haben, bei ihrem Kind zu sein.
Viele werden das ja gar nicht wissen, wie es derzeit aussieht, aber auch Pflegendenkinder sind keine Topfpflanzen, die man eben woanders hinstellen kann.
Kinder von Pflegenden sind überbelastet und tragen eine Menge mit. Sie sehen nicht wie alle anderen Kinder, garantiert jedes Wochenende ihre Eltern, sie werden nicht automatisch jeden Abend Gute Nacht geküsst. Nicht auf jeder Schulveranstaltung sind die Eltern dabei. Ihr kleines Leben richtet sich vollends nach dem Schichtplan der Eltern. Das interessiert im Normalfall schon niemanden.
Es mag verwundern, aber auch für Kindern von Pflegenden ist die Corona-Situation eine, die Angst macht. Und natürlich kann man sein Kind nicht guten Gewissens einfach bei Fremden parken, damit man mal eben auf der ITS Leben rettet.
Was den Arbeitgebern da auf die Füße fällt und somit der ganzen Gesellschaft, ist ihre maßlose Sozialinkompetenz. Kinder von Pflegenden sind immer egal gewesen, sind Belastung. Nun ist die Gesellschaft in Sorge, Sorgearbeit muss geleistet werden. Also scheint es zu gelten, die Kinder von Pflegenden irgendwie zu entsorgen. Irgendwohin. Die Mütter (auch die sind Menschen, die fühlen ganz normale Gefühle für ihre Kinder!!!), sollen sich darauf einlassen, dass ihr Kind ein Klotz am Bein sei, eine Belastung, die es zu entsorgen gilt, damit die Sorgearbeit getan werden kann.
Fremde verfügen also in ihren Phantastien über die verfügung von Pflegenden über deren Kinder. Und ekliger wird’s heute nicht mehr. Hoffe ich. In diesen Zeiten kann man nie wissen.
Wo die Lösung gewesen wäre?
Es gibt familienfreundliche Arbeitskonzepte. Betriebskitas, Betreuungsservice im Normalfall. Aber immer, wenn irgendwo eine Neuerung auftritt, die Famiienfreundlichkeit bedeutet, ist Pflege ganz garantiert nicht dabei. Zu teuer. So schlossen in den letzten Jahren immer mehr Betriebskitas. Kind mit auf Arbeit nehmen? Undenkbar. Kinder sind Belastung. Kinder sollen nicht stören. Kinder von Pflegenden sind genauso Verfügungsmasse geworden, wie ihre Eltern. Wozu? Um Fremde zu betreuen.
Dieser Umgang ist im Vergleich mit anderen Berufen dermaßen zynisch und roh, dass es keine Beschreibung gibt.
Ich habe Neuigkeiten, liebe Gesellschaft! Ihr wollt was von UNS! Macht es möglich! Wir sind, obwohl Ihr uns Schwestern nennt, keine Nonnen mehr. Wir haben Kinder und Familie! Ich erlaube Euch kein abusives Verhalten an meinem Kind, während Ihr Euch sicher in Homeoffices verbarrikadiert und wartet, dass ICH es richte!
Pflegende: die graue Masse Berufener, die nicht für sich selbst sprechen darf, und ihre „störenden Blagen“, die irgendwo weg müssen, damit sie der Heldenhaftigkeit der ausgepowerten Eltern nicht im Weg stehen.
DAS ist dieser „Sozialberuf“ ja?