Systemrelevant, oder was?

Guten Morgen.

Agnes Karl war einmal in Amerika. Und das erschütterte sie zutiefst. Die Pflege dort war wesentlich weiter als in dem Land, aus dem sie kam. Deutschland. Aber nun sind über einhundert Jahre vergangen, es gibt diese Globalisierung und lassen Sie uns doch mal schauen, ob und was sich so geändert hat.

Seit Corona sind wir jetzt „systemrelevant“. Hört sich super an, oder? Ich möchte zu dieser Systemrelevanz ein paar Fragen stellen. Beantworten kann ich sie nicht. Vielleicht der andere oder eine hier.

Schutz

Wenn Pflege so systemrelevant ist, dass ohne sie das System zusammenbricht, weshalb gilt dann in Amerika die Leitlinie bei Pandemien: Nurses first! Der Schutz der Pflegenden hat oberste Priorität. Das verkündete heute morgen eine Krankenschwester in der New York Times.

Die Unterschiede in einem Bild.

Im Ausland haben die Teams nicht nur Vollvisiere, sondern auch entsprechende Masken. DAs oben sind die Papierlappen, die der Kollege für eine Woche ausgehändigt bekommen hat. Wo ist da die Systemrelevanz?

Kommunizieren

Die Kollegin, die in der New York Times sprach, bekam Raum dafür in einer der größten Tageszeitungen des Landes. Habe ich hier noch nicht erlebt. Weder spricht Pflege in Talkshows, in Zeitungen oder im Radio. Könnte ich bitte die Systemrelevanz nochmal sehen? Die informieren da auch die Bevölkerung. Hier weiß zwar mittlerweile Hinz und Küster, wie Corona aussieht, dank Drosten, wie es sich vermehrt und welche Sequenzen getestet werden: über Isolation, Infektionsschutz in der Häuslichkeit und Pneumonieprophylaxe berichtet… Tata…. lediglich dieser kleine Pipelpopelblog.

Häuslichkeit

Diese beratende Funktion steht also Menschen in der Häuslichkeit gar nicht zu Verfügung. War nicht gerade die Funktion der Shutdowns, dass Menschen sich weniger infizieren? Wer nicht wirklich weiß, wie er das schaffen soll, wenn er beispielsweise mit pflegebedürftigen Menschen im selben Haushalt lebt, der hebt mal bitte die Hand.

Arbeitszeit

Noch ist es gar nicht losgegangen, da kippte man schon das Gesetz. Systemrelevanz bedeutet jetzt, 12 statt 8 Stunden arbeiten zu „dürfen“ und 7 von 8 Sonntagen. Dass das Ganze in Überlastung endet, das abzusehen muss man kein Zauberer sein. Wenn wir so systemrelevant sind, wäre es nicht sinnvoll, genau vor solchen Ausfällen zu schützen? Noch immer gibt es elektive Patienten auf den Stationen.

PTBS

In nahezu allen Desasterplanungen ist vorgesehen, dass ein Seelsorgeteam die Pflegenden auffängt, um posttraumatischen Belastungsstörungen von Anfang an entgegenzuwirken. Da verheizen sie schon jetzt Schüler auf den Stationen, es werden Überstunden geknüppelt. Wenn Pflege so systemrelevant ist, weshalb schickt man jetzt keine Teams zu ihrem Schutz? Alle anderen Katastrophenteams auf der Welt haben so etwas.

Einkaufen

Wenn Pflege nach 12 Stunden endlich raus aus der Klinik und rein in die Kontaktsperre kommt, kriegt sie weder Nudeln noch Klopapier. Andere Städte und Länder öffnen Supermärkte nur für medizinisches Personal. Nur hier, in der Systemrelevanz, kloppt sich die ausgelaugte Intensivpflegekraft noch um Erbsen, Mehl und Klopapier. (Mit dem Danke kann man sich also nichtmal den Ar*** aber lassen wir das)

Geld

Der Aufschrei, wenn Pflege für sich mehr Gehalt fordert, ist enorm. Weshalb darf Propofol nun das 20fache kosten, Pflege nicht?

Während England befürchtet, die Nurse Patient Ratio könne von 1:1 auf 1:5 steigen und das System kollabieren, ist 1:5 hier durch ausgesetzte PPUG schon lange ein Idealfall, der nicht zu erreichen ist. Deutsche Nurses fahren das Vierfache im Normalbetrieb. Aber Danke reicht. Man ist ja systemrelevant

Wie kann es sein, dass sich über 100 Jahre lang nichts getan hat? Dass nun die Stunde der Berufenen schlagen soll, während jedes andere Land der Welt verstanden hat, dass es mit Profis arbeiten und diese schützen muss, wenn es überleben möchte? WIE KANN DAS SEIN?

Und an den Typen, der mir heute morgen erklärt hat, dass ein Bäcker genauso wichtig ist, wie eine Krankenschwester: Versuch bei kommender Dyspnoe folgende Maßnahme: Atme durch ein Brötchen und dann denk drüber nach.

4 Kommentare zu „Systemrelevant, oder was?

  1. Vielen Dank. Pflege ist systemrelevant? Nein Pflege ist der AVD. Nirgends wird soviel Geschiss um die Pflege gemacht wie hier und nicht Frage mich ernsthaft warum sich die ach so tollen Berufsverbände nicht äußern. Pflege erfährt auch nach Corona weiterhin mangelnde Wertschätzung in dieser Gesellschaft in der Egoismus vor Nächstenliebe steht. Bitte registriert euch freiwillig, hört man überall und dabei gibt es. Freiberufler die unterstützen würden, aber vielerorts nicht dürfen.
    Und warum nicht? Diese kosten Geld, Geld was man jetzt nicht verdient weil Ops abgesagt werden. Lieber will man auf freiwilliger Basis die Menschen an die Front schicken ohne Schutzausrüstung. So kann man keinen Krieg gewinnen und auch keine Lorbeeren einheimsen.
    Pflege braucht eine eine andere Bezahlung als klatschen auf den Balkonen oder ein Danke oder eine Tafel Schokolade.
    Pflege braucht jetzt die schon lang geforderte Bezahlung. Jetzt auch noch mit Infektions und Gefahren Zulage. Eine Reduzierung der Arbeitszeit um gerade in der Krise Erholung zu gewährleisten.
    Sonst steht die Bevölkerung ohne Fachkräfte da.
    Pflege kann nicht jeder Herr Spahn. Pflege ist ein Beruf bei dem man etwas mehr braucht als. Klopapier in der Hand. Gerade die Intensivpflege stellt viele Pflegekräfte vor eine Herausforderung und auch das kann nicht jeder. Pflege ist mehr als Steckbecken und Klopapier oder Essen an reichen.
    Pflege ist intensiv, pflegt, unterstützt und begleitet. Haelt die Hand, ist da wenn es einem nicht gut geht nach einer OP, besänftigt Anegste, trocknet Tränen.. Pflege macht Mut nicht aufzugeben, sich selbst nicht hängen zu lassen.
    Pflege ist Komplex.
    Und dennoch sieht Herr Spahn das nicht. Wieviel Pflegekräfte habe ihn schon eingeladen an vorderster Front mitzuarbeiten? Und wer kommt nicht?
    Pflege braucht jetzt Unterstützung und hat jetzt die Chance mehr Anerkennung zu bekommen. Das sollte mit einer Erhöhung der Gehälter beginnen. Da sind 4000€ brutto bei weitem noch zu wenig. Gerade jetzt auf den Intensivstationen. Hier an der Front sollte man beginnen, denn diese Menschen riskieren ihr eigenes Leben und ich kann die Angst verstehen. Natürlich begegnen wir als Pflegekräfte Kern und Viren, aber auch wir dürfen Angst haben, denn wir sehen was uns erwartet. Wir kämpfen an der Front. Im Schach opfert man die Bauern zu erst. Im Krieg ebenfalls nur sind es hier diesmal die Pflegekräfte.
    Wenn nicht jetzt wann dann?
    Jetzt ist es an der Zeit das die Wertschätzung nicht bei einem Danke bleibt oder Standing Ovations. Nein jetzt ist die Zeit gekommen die Wertschätzung auch mal in Zahlen auszudrücken.
    Wir alle koennen der nächste sein.
    Pflege braucht mehr. Mehr Personal, mehr Zeit zum erholen und höhere Gehälter.
    Wenn man einen Beruf attraktiver machen will, dann muss man ihn anders bezahlen, die Vorteile hervorbringen und die Wertschätzung in der Gesellschaft vorantreiben.
    Ich persönlich bin stolz darauf Pflegekraft zu sein und das seit 25 Jahren.

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