Westfellhaus möchte jetzt vermehrt Berater in den Einrichtungen einsetzen (katsching, die Beraterkasse klingelt!!!), damit die alle mal richtig führen lernen. Aber führen PDLen richtig, werden sie… rausgeschmissen.
Text: A.W.
Der Titel ist bewusst doppeldeutig gewählt. Wenn Sie zu der Kategorie Mensch gehören, der findet, dass doch alles ganz einfach ist, oder dass die Menschen sich nicht beklagen sollten, weil sie sich doch alles selbst ausgesucht haben, hören Sie hier auf zu lesen oder verkneifen sich einfach jeden weiteren Kommentar. Vielen Dank – und jetzt raus hier.
Dieser Bericht ist eine Sammlung aus Berichten und Telefonaten, die zusammengefasst und sinngemäß wiedergegeben werden. Keine/r der Beteiligten möchte namentlich genannt werden.
Dass es sehr anstrengend ist PDL zu sein, ist sicherlich jedem klar, oder? Zumindest hier, beim Lesen, sagen sicherlich die Meisten zu. In der Realität, wo man den Leuten gegenübersteht, ist es das nicht. Da wird man mehrfach bedroht (beruflich und persönlich), angebrüllt, beleidigt und von allen möglichen Seiten für unfähig erklärt.
Gemeint sind hier übrigens nicht die Aufsichtsbehörden. Ausgerechnet von dieser Seite kommt bei den meisten PDL eher Wertschätzung und Unterstützung an – dort weiß man nämlich, was es bedeutet, sich täglich dagegen zu wehren, als Mülleimer behandelt zu werden.
Bewohner, Angehörige und Vorgesetzte sind da schon ein ganz anderes Kaliber. Mitarbeiter benehmen sich in aller Regel, sitzen sie doch im gleichen Boot.
Die Position an sich ist oft eine „Schleudersitzstelle“ mit hohem Potential gekündigt zu werden, weil man hierarchisch die niedrigste Führungsposition innehat. Das bedeutet, wenn etwas schief geht, kann man nur beten, dass man gut genug dokumentiert hat, sonst ist man dran, egal, ob man schuld war und wie gewissenhaft man seinen Job macht – und die Arbeitgeber sichern sich ab. Schon im Arbeitsvertrag wird gerne verankert, dass man bei schlechten Ergebnissen, also schlechten „Noten“ bei Überprüfungen, nicht einfach nur gekündigt werden, sondern auch zu Schadenersatz herangezogen werden kann und wird. Ob das juristisch haltbar ist, ist eine andere Sache, aber es steht schonmal drin und bedeutet somit, dass das Arbeitsverhältnis eher nicht friedlich enden wird. Außerdem ist es so gut wie überall Teil des Vertrages, dass man, je nach Vertrag, in Notfällen oder sogar „jederzeit“ zur Arbeit „am Bett“ herangezogen werden kann. Ohne zeitliche Begrenzung. Alleine hier wird schon klar, dass dieser Job immenses Stresspotential hat. Wenn man selbst am Bett steht, wer sichert dann die Qualität, die für die gute Note sorgt, die wiederum den eigenen Job sichert? Hat man hier den falschen Vorgesetzten, nimmt man besser ganz schnell den Hut.
Konnte man vor 5 – 10 Jahren noch einen solchen Vertrag ohne große Bedenken unterschreiben, weil kein AG auf die Idee gekommen wäre, seine PDL einfach zu kündigen, sieht es, nicht nur, aber besonders seit Corona GANZ anders aus.
PDL sind Mangelware. Besonders die, die den Job ernst nehmen. Ein Überbleibsel der in Deutschland chronisch unüberlegten Gesundheitspolitik ist, dass man bis vor ca. einem Jahrzehnt alles zur PDL gemacht hat, was einen kaputten Rücken hatte. Führungsqualitäten waren da nicht gefragt, man musste die Leute aus der Berufsunfähigkeit herausschaffen und tat dies mit eilig zusammengestellten Kursen, die nur geändert wurden, wenn eine Gesundheitsreform sie dazu zwang. Das führte dazu, das die neuen „Führungskräfte“ sofort und chronisch überfordert waren. Mit allen daraus resultierenden Nebenwirkungen, kombiniert mit einer gewissen Machtstellung. Diese Generation ist jetzt zum großen Teil in (Früh)Rente und macht ganz sicher drei Kreuze, dass sie endlich Ruhe hat. Nun sind aber von der neuen Generation, die wenigstens in den meisten Bundesländern mittlerweile ein Studium vorweisen muss, noch nicht genug nachgerückt. Laut dem viel beschworenem „Gesetz des Marktes“ sollte eine PDL also derzeit traumhafte Arbeitsbedingungen haben.
Hat sie nicht – siehe Verträge und siehe imFolgenden
Jetzt auch noch Corona. Man kann es nicht mehr ertragen. Pflege ist ohnehin ein hochemotionales Spannungsfeld. In alle Richtungen. Seit Corona ist es hochexplosiv. Von allen Seiten.
Die Vorgesetzten und die Qualitätsmanager rotieren vor lauter Nervosität. Alle versuchen, sich gegen alles Mögliche abzusichern, wälzen die Verantwortung mit allen möglichen Anordnungen nach (hierarchisch betrachtet) „unten“ ab. Einige PDL sollten sogar unterschreiben, das sie persönlich verantwortlich dafür sind, das genug Schutzmaterial vorhanden ist. Was es nicht ist. Die Beschaffung ist immer noch schwierig, nicht zuletzt, weil einige Häuser ums verrecken die Budgets nicht anpassen, obwohl die Preise explodiert sind.
Ganz am Anfang, als gar nichts zu bekommen war, konnten viele Altenheime noch auf die Reserven ihrer PDL zurückgreifen. Wohlgemerkt: Das Anlegen solcher Reserven war verboten. „Just in time“ war das Motto, das jede PDL mit ein bisschen Verstand ignoriert und ein ordentliches Vorratslager aus Schutzmaterial und Desinfektionsmitteln angelegt hat, wohlwissend, dass Grippe und Norovirus garantiert nicht auf die monatliche und streng budgetierte Bestellung mit früher 3 tägiger, aktuell mit ca. 4-6-wöchiger Lieferfrist, warten(ganz zu schweigen, dass manche PDL solchen Mehrbedarf erst Genehmigen lassen muss…) . Alleine die Verwaltung dieser Lager ist ein echter Aufwand. Man muss dafür Ecken und Räume finden, in die niemand hineinmuss, was bei 30 Prüfinstanzen eine gewisse Herausforderung bietet und man muss die Vorräte in ein Budget quetschen, das ohnehin kaum einzuhalten ist. Wie genau das geht, verrät man besser nicht, liest nur EIN falscher Buchhalter hier mit, kann man Gift darauf nehmen, das diese Lager, sofern überhaupt noch vorhanden, gesucht und geplündert werden. Diese Lager gibt es meistens schon viele Jahre, oft noch aus „Vor Budget“ Zeiten erhalten, zum Schutz vor Verfall seitdem in ständiger Rotation gehalten und eifersüchtig bewacht von der PDL, mit dem Ziel, gegen kurzfristig erhöhten Bedarf gewappnet zu sein. Corona hat dieses „kurzfristig“ schon lange gesprengt.
Die Reaktion auf den Mangel an Schutzkleidung haben sicher alle noch gut in Erinnerung: Es hieß, dann müsse man wohl oder übel halt ohne Schutzkleidung weitermachen. Was nicht ausgesprochen wurde war, von wem man erwarten würde, die Pflegekräfte dazu zu bringen im Zweifel auf den Selbstschutz zu verzichten… Die Reaktion aller mir bekannten PDL war die Gleiche: NEIN! Niemals! Schlimm genug, dass man immer und immer wieder bei den Mitarbeitern bettelt, ihre Freizeit zu ignorieren und einzuspringen. Aber sie dahin zu bringen, ihr Leben zu gefährden?! Nein. Sollen doch die Funktionäre, die diese geniale Idee hatten, mit gutem Beispiel vorangehen und ihr Leben ohne Schutzmaterial in die Waagschale werfen.
PDL werden mittlerweile noch heftigerem Druck ausgesetzt, als ihre Seitenlangen Stellenbeschreibungen veranschaulichen. Unter anderem sollen sie, meist unter Apellen an den „Teamgeist“ oder „die Vernunft“, manchmal sogar unter Androhung von Repressalien, dazu gedrängt werden, wieder „am Bett“ zu arbeiten. Unter Aufrechterhaltung der eigentlichen Aufgaben natürlich. Schließlich muss man sich nur gut organisieren, dann sind zwei Jobs locker zu schaffen.
An dieser Stelle sollte man gleich noch einen Mythos aufklären: der des traumhaften Verdienstes einer PDL. Die mit Abstand meisten PDL erhalten ein Gehalt, das zwar etwas höher als das Grundgehalt einer Pflegefachkraft liegt, aber unterm Strich meist darunter. Eine PDL muss dafür dann aber trotzdem rund um die Uhr erreichbar sein, auch wenn sie eigentlich die WE und Feiertage frei haben sollte. Auch Überstunden sind die Regel, nicht die Ausnahme. Aufgeschrieben werden sie fast nur, wenn sie durch Arbeit „am Bett“ entstanden sind. Wer als PDL Überstunden macht, gilt als unfähig, weil nicht organisiert. Ohnehin beinhalten die meisten Verträge das alle Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Im gesetzlichen Rahmen natürlich…
Zurück zu Corona: Nun ist man in gewisser Weise stur und sieht auch als PDL nicht ein, dass der AG mit seiner genialen Idee, auf dem Rücken der PDL, der er praktischerweise keine Überstunden zahlen muss und die qua Vertrag zur Arbeit „am Bett“ herangezogen werden kann, Kosten für Zeitarbeiter einspart, indem sie doppelte Arbeit macht.
Das führte – trotz Corona, trotz Personalmangel, PDL Mangel und der Frage, wie der Laden denn dann laufen soll, alleine in meinem Bekanntenkreis zu 4 Kündigungen. Wegen Verweigerung der vertraglich vereinbarten Pflichten. Kein Witz. Die Arbeitsgerichte werden entscheiden, aber 3 Altenheime und ein KH haben jetzt erst einmal keine PDL. Wir sind gespannt, wer sich denn jetzt den Kasak anzieht und einspringt, oder ob es so läuft wie bisher: steht die PDL nicht als „Reserveinfanterie“ zur Verfügung und ist kene Zeitarbeit zu bekommen, tut es keiner, denn so wichtig ist die Besetzung dann auch wieder nicht. Irgendeine Fachkraft wird es schon auffangen, bei Weigerung lässt man das Wort „Abmahnung“ fallen und gut ist.
Zu den Angehörigen, mit einem Disclaimer: Ihr, die Ihr euch kümmert, die Bestimmungen selbstverständlich einhaltet, immer wieder mal Fragen habt, die ihr Gesprächsbedarf habt, die Ihr auch mal bei uns Trost sucht, aber immer die normalen sozialen Normen dabei einhaltet, seid ab hier NICHT gemeint! Bleibt wie Ihr seid. Bitte. Ihr seid tolle Menschen und eine Labsal – auch für alle Mitarbeiter.
Dieser Abschnitt widmet sich denen, die sich an den Mitarbeitern abarbeiten.
Wie oben erwähnt, bedeutet Pflege, sich in einem hochemotionalen Spannungsfeld zu bewegen. Das lernt man in „der Pflege“ also an der Pflegefront, unabhängig von der Qualifikation (immerhin, DA sind sie demokratisch) gleich in den ersten Tagen.
Auch außerhalb von Pandemien muss man höllisch aufpassen, sich nicht in innerfamiliäre Konflikte hineinziehen zu lassen. Das ist besonders als PDL wichtig, weil gerade innerhalb von Familien gerne geklagt und mit einstweiligen Verfügungen „gearbeitet“ wird und man da ganz schnell in rechtliche Schwierigkeiten geraten kann. Doch doch, Sie haben richtig gelesen.
Gerade der Generation „Babyboomer“ zugehörige Menschen, die die größte Gruppe der Angehörigen stellen, sind da selten zimperlich. Noch weniger zurückhaltend sind diese Leute gegenüber den Mitarbeitern. Ironischerweise hat Corona an dieser Stelle hier für etwas Entlastung gesorgt. Durch das stark eingeschränkte Besuchsrecht hat man meist nur noch einen dieses Kalibers gleichzeitig vor sich stehen und sie können nicht mehr einfach so in das PDL Büro stürmen und losbrüllen. Denn vor Corona gab es immer mal wieder Grüppchen, die sich zum Sturm des PDL Büros verabredet haben. Dafür tun sie das jetzt allerdings am Eingang. Um klarzustellen, dass sie sich nicht testen lassen, nur weil wir zu blöde sind, die Menschen richtig zu versorgen. Überhaupt ist man Rechtsschutzversichert und würde schon klarstellen, wer hier das sagen hat. Wo überhaupt die Leitung ist, wolle man wissen, oder hat sich diese blöde F…. schon ins Home-Office verkrochen!?!
Doch doch, Sie lesen immer noch richtig. Nicht ohne Grund steht am Eingang vielerorts Security, wahlweise der größte und breiteste männliche Kollege, um die Tür zu sichern. Denn so einige Angehörige meinen, sie brauchen sich nichts sagen zu lassen. Die Schreihälse, die zu Beginn der Coronakrise in den PDL Büros aufschlugen, um Rechenschaft darüber zu verlangen, wie man Gedenke, die heiß geliebten Bewohner (für die man oft nur unter Murren und Beschwerden mal eine Flasche Duschgel für 0,69€ locker macht und vor 2 Jahren zuletzt besucht hat) vor Corona zu beschützen, sind genau die, die die Vorschriften auf allen möglichen Wegen umgehen wollen.
Und überhaupt: Ist Mutter denn heute, für den Besuch geduscht worden?
Da ist man sich nicht zu blöd, über den Zaun der Terasse zu klettern, einfach an dem Mitarbeiter, der den Test machen soll vorbeizulaufen, die Formulare mit „Caspar Hauser“ zu unterschreiben, nicht erhitz- und abwischbare Lebensmittel mitzubringen, mit 9 Personen aufzutauchen um den Forderungen nach freiem Zutritt „Nachdruck zu verleihen“, oder hnter der nächsten Ecke zu warten, bis einer die Mutter/den Vater abgeholt hat – ohne Masken natürlich, die Mitarbeiter mit Ausdrücken zu beschimpfen, für die man Jugendliche auf das schärfste verurteilt und: tatsächlich handgreiflich zu werden. Es wird geschubst, gespuckt(!), angehustet, die Maske heruntergerissen, sogar Körperverletzungen wie Faustschläge hat es schon gegeben. Besonders beliebt ist es auch, damit zu drohen, die eigene berufliche Position dafür zu nutzen, das jeweilige Heim/KH zu diskreditieren. Man sei also schon so gut wie erledigt. Persönlich, aber auch das Heim/KH an sich. Nur damit das mal klar ist.
Als PDL lässt man seine Mitarbeiter mit solchen Leuten natürlich nicht alleine und versucht auch im Anschluss an das jeweilige Ereignis den Mitarbeiter ein wenig aufzufangen, während man hofft, dass niemand die eigenen zitternden Hände bemerkt. Denn auch an einer PDL geht das nicht spurlos vorüber. Angst haben die meisten dabei nicht, weitaus häufiger ist Wut und Hilfslosigkeit, weil man in der Situation selbst relativ wenig tun kann, um diese Leute zur Raison zu rufen. Man kann sie nicht unmittelbar sanktionieren. Für die körperlichen Angriffe kann man sie Anzeigen, klar. Aber in der Situation selbst muss man die richtige Dosis aus Autorität und Verständnis treffen, damit es nicht endgültig eskaliert.
Corona stresst alle. Ein Freifahrtschein den „Mr. Hyde“ in sich herauszulassen ist das jedoch nicht. Für niemanden.
Ich selbst kenne keine PDL, die sich nicht schon freiwillig den Kasak angezogen hat, weil es zu knapp war. 60 Std. Wochen sind die Regel, wie oben erläutert meist ohne Ausgleich. Zuzüglich der ständigen Erreichbarkeit und besonders die Organisation von Ersatz bei kurzfristigen Ausfällen. Das alles „on Top“ einer meist vier (!) DIN A4 Seiten langen Stellenbeschreibung zzgl. willkürlich dazu gedichteten Aufgaben (die i.d.R. der juristischen Absicherung der Chefetage dienen) wie jetzt gerade durch die Pandemie.
Dieser Text hat keinen roten Faden, keine sinnvolle Aufteilung und keine Pointe. Weil Krise genau das ist. Kritisch und chaotisch.
Oder doch: Benehmt euch gefälligst. Alle.