Arme Patienten oder rustikale Rüpel? Weshalb eine Klinik eben kein Hotel ist und Ihr nervt

In den 1990er Jahren hatten findige BWL-er eine super Idee. Patienten waren jetzt keine Patienten mehr, sondern Kunden oder Klienten. Das Wort Patient kommt aus dem Lateinischen und bedeutet in etwa soviel wie „der, der zur Geduld gezwungen wird/der Geduldige/der Duldsame“. Nicht nur, dass es die Krankheiten waren, die eine gewisse Geduld nötig machte, wenn man sich vor den 90ern in eine Klinik begab.

Das Wort bedeutete auch, dass man aus seinem individuellen Leben für die Dauer seines Aufenthaltes in eine Institution musste, in der man einer von vielen war, die nach eigenen Regeln spielte und man seine persönliche King Kotelett Allüren hier nicht ausleben konnte. Tat man es dennoch, wurde das gar nicht goutiert. Dafür lief der schon immer mies personell besetzte Laden, insofern hielten sich Geben und Nehmen die Waage. Allen war klar, dass ein Krankenhaus ein Haus ist, in dem (viele) Kranke sind und das einen im besten Fall wieder gesundmachen sollte. Es gab Besuchszeiten, damit nervige Angehörige dem Ablauf nicht auf die Ketten gingen und in alten Filmen ist noch zu sehen, wie pünktlich die Nurse die Zimmer von den Verwandten leert, damit alle wieder in Ruhe arbeiten können. So weit so schlecht. Oder gut. Je nachdem.

Aber, nein, jetzt gab es ja DRG und mit den Fallpauschalen auch das Gesetz des Marktes. Damit auch alle, alle kamen, war plötzlich Marketing in. Es gab also Kunden und Kliniken mit „hotelähnlichem Charakter“. Was im Steigenberger die American Express, wurde nun die AOK-Karte. (Schon da zeigen sich Unterschiede), Essen austeilen hieß nun „Service“ und entglitt völlig den ABEDL. Es gab ein Beschwerdemanagement, das vermutlich mehr Personalzeit gebunden hat, als Pflege jemals an einem Tag für einen Schwerkranken hatte und jeder Rotz und Löffel wurde nun auf Kärtchen dem Beschwerdemanager übergeben. Alter! Das Obst zu unbananig, die Röntgentrage zu kalt, das Fernsehen zu schlecht, das Essen (für 4 Euro am TAG!) völlig ungenießbar (ach nee). Anstatt sich nun endlich um Kranke zu kümmern, klöppelten Stationsleitungen Bilder des Teams an die Wände, ob die sich da porträtiert sehen wollten oder nicht. Es hieß jetzt auch nicht mehr Bild, es fanden „Vernissagen“ statt und jeder Napfkopf, der schonmal einen Pinsel in der Hand gehalten hatte, stellte jetzt seine Bilder in Klinikgängen aus. Kannste Dir nicht ausdenken!

Das war für mich persönlich der Moment, wo Pflege verscherbelt wurde. Aus ressourcenorientiertem Handeln und Helfen wurde „Zimmermädchen mit Servicefunktion!“ Ab jetzt hatten Berufsfremde die Deutungshoheit in der Hand. Unvergesslich, wie in Hamburg einmal ein Besucher mit seiner topmobilen Frau kam und sagte: „Jetzt trinken wir mal einen schönen Tee!“. Ich wünschte viel Spaß. Nach einer Viertelstunde kam dann die Beschwerde. Wo denn der Tee bliebe? „Den müssen Sie sich kochen!“ „Warum das denn?“ „Weil Sie es KÖNNEN!“. Ich habe, ehrlich gesagt, sehr gerne fast 30 Minuten die Gegendarstellung für das Management geschrieben, als meine Berufsprinzipien aufzugeben. Kannste selbst? Machte selbst! Und davon bin ich nie einen Millimeter abgerückt.

Wenn auch der Deutsche Sterilium klaut und nicht in der Lage ist, Gesundheitskompetenz zu entwickeln oder sich die Hände zu waschen: DAS hat er begriffen, dass eine Klinik irgendwas mit Hotel ist. Und daraus macht er, was er will. Die 600 Bettenbuchte unterscheidet sich ja architektonisch auch kaum von einem Bettenbunker auf Malle, sodass der durch Langeweile geplagte ASilettenschlurfer im Flügelhemd genug Zeit damit verbringen kann, Nurses anzutatschen, fernzusehen oder sich auf die Suche zu machen, wo es im 3*Hotelklinikdings denn hakt.

Dabei stehen 3 Dinge im Vordergrund: Fressen, Freizeit, Freundlichkeit. Der Peter hat da zum Beispiel ein ernsthaftes Problem:

„Ich kann vor diesem Haus nur warnen (sich!! hahahahaha, Peterle, ich kann vor JEDEM Haus nur warnen!) (…) Man wird hier für dumm verkauft! Als Privatpatient bekommt man nur dumme Ausreden, wenn permanent das falsche Essen kommt (..) ich werde meinen ANWALT sprechen, ob ich Klage erheben darf!

Peterle, ganz ehrlich? Nur, weil Ihr diese sauteuren Zimmer mit Flatscreen habt, mit denen Euch jedes Haus a la Komfortstation verscheissert, habe ich da einen guten Rat. Wenn Dir das verdammte Essen nicht passt, lass Dir eine verdammte Pizza kommen und begreife, dass Pflege nicht das Zimmermädchen ist. Du warst krank und man hat Dir geholfen. Was ist Dein verdammtes Problem?

Oder auch schön:

Unfreundliches Personal. Standen mehrere Minuten (hahahahahaha) vor dem Sprechfenster der Schwesternstation. direkt vor uns saß eine Schwester am PC. Kein Guten Tag, kein Blickkontakt. Hat uns konsequent ignoriert und dann weggelaufen!

Was ich sagen möchte? Du wohlstandsverwahrloste Bratze kannst Dir offenbar, obwohl Du mobil bist und es Dir also gutgeht, nicht vorstellen, dass da jemand arbeitet und von den 36 Patienten irgendwer dranner ist als Du? Das ist schon verdammt arm. Nein, im Krankenhaus ist es nicht Dein Recht, dauernd wen zu unterbrechen. Da muss man WARTEN. Wenn Du da stationär bist, hast Du eh nichts anderes mehr vor. Schon gar nicht nach MINUTEN. Nein, ihr seid nicht alle gleich wichtig. Schon gar nicht, wenn Du der bist, dem es offenbar am besten ging, denn wie man sieht, bist Du nicht bettlägerig oder irgendwie bedroht. Arschkrampe.

Jason. „Alle super nett, bis auf eine, die mir so vorkommt, als wenn sie da nur ihr Geld verdienen muss“

Ja, Jason , ganz nah dran. Das sind da ALLES Leute, die ihr Geld mit ihrem Beruf verdienen. ALLES! Keiner, nichtmal einer, ist da, weil er Dich lieb hat und JEDER wäre lieber beiden Seinen daheim. ZU DENEN DU NICHT GEHÖRST! Es ist ein Beruf. Nichts weiter.

Robert Sievers: „Personal, was sich da aufspielt vom Feinsten! (…) Zimmer eine ZUMUTUNG!!!“ Dann ein Bild von einem Braunolfleck, der auf dem Linoleum nicht rausging. Funfact. Robert war zur Transplantation da. Robert: die wollen Dir da Organe von einem Menschen einpflanzen. Damit Du überleben kannst. Das machen die unter Hochdruck. Und Dein Problem ist, dass da ein Fleck ist und Dir der Fernseher an der Decke nicht gefällt? Ist das Dein Ernst? Und ja, das Personal muss Dinge fragen und Dinge regeln. Die sind nicht zum Händchenhalten da.

Eine andere beschwert sich, dass ein Mitpatient eine Pediküre bekam. Huhuuuu! Das ist es, worum es bei PFLEGE geht. Menschen pflegen. Nicht, ob Du da feinchen im Bettchen liegst. Herrgott!

Ein anderer bemängelt, und schreibt das seitenlang, dass am Infoschalter jemand nicht „Wie bitte?“, sondern „Was?“ gefragt hat. Ja, das sind Probleme, die die Welt bewegen.

Ihr habt doch alle den Schuss nicht gehört. Ein Krankenhaus ist kein All-IN-Hotel. Es gibt Pflegenotstand und auch, wenn es Dir aufgrund Deiner Egomanie gar nicht schlüssig ist: es gibt Leute, denen geht es dreckiger als Dir. Patientia! Geduld! Gefälligst!

So wird das nichts. Ihr müsst verstehen, dass Notstand bedeutet, dass der auch da ist, wenn IHR im Krankenhaus seid. Können wir bitte wieder über Krankenhäuser reden? Es ist zudem kein Hotel

Und solche Leute? Möchte niemand pflegen

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6 Kommentare zu „Arme Patienten oder rustikale Rüpel? Weshalb eine Klinik eben kein Hotel ist und Ihr nervt

  1. Meine Top 5 Highlights:

    1. Patientin kommt vom Rauchen mit Freundinnen, schlurft über Station, geht ins Zimmer. 10 Minuten später, die geduldige Patientenschelle: „Bitte 5 Kaffee, zwei mit Zucker, eins mit Milch…”
    Ich: „Sie können sich gerne Ihren Kaffee vorne holen. Ihre Angehörigen bitte unten in der Cafeteria. Der Kaffee ist nur für Patienten gedacht.”
    Patientin: „Wie unverschämt ist das denn????? Ich bin krank!!!”

    2.) „Warum gibt es kein Kaffee und Kuchen zu Mittag???“
    „Das haben wir schon lange nicht mehr. Den Kaffee können Sie sich gerne vorne abholen kommen.“
    „Im Krankenhaus XYZ gibt es jeden Mittag Kaffee und Kuchen.“
    „Das tut mir leid, aber das praktiziert dieses Haus schon seit Jahren nicht mehr. Kaffee oder Tee gibt es aber vorne.“
    „Also, also ich vor 30 Jahren hier war, war das aber üblich. Wo soll ich denn jetzt meinen Kaffee und Kuchen herbekommen?“
    „Sie können sich vorne den Kaffee oder den Tee holen.“
    „Und den Kuchen?“
    „Den gibt es leider nicht mehr.“
    „Aber im Krankenhaus XYZ… vor 30 Jahren… Kassenleistung…“
    „Ich muss jetzt wirklich wieder los.“
    „Ich werde mich bei meiner Krankenkasse beschweren.“
    „Alles klar.“
    „Ich möchte meinen Kaffee und den Kuchen!! Sie kriegen dafür schließlich nicht wenig Geld von mir!!!”
    *Kopf gegen Wand Knall Geräusch*

    3.) “Herr Doktor hat gesagt, ich darf zum Mittag Fisch haben.“
    “Das kann gut möglich sein, aber wir haben leider keine Küche mehr im Haus. Sie haben gestern das andere Menü bestellt, das Essen kommt abgezählt und nach Bestellung. Wir haben leider keinen Fisch mehr über.“
    „Aber Herr Doktor hat mir Fisch versprochen.“
    „Wir haben leider keins über.“
    „Ich möchte sofort Herrn Doktor sehen und werde mich über Sie beschweren.”

    4.) Rezension (während der Pandemie!!!): „Ich musste in 13 Tagen zwei Mal das Zimmer wechseln und habe mich beim dritten Mal geweigert. Die Helferin (sic) meinte, es wäre wegen Corona Massnahmen notwendig. Dass ich nicht lache. Soll mir noch einer was von überarbeiteten Krankenhauspersonal erzählen… unfreundlicher Dreckshaufen.”

    5.) Rezension aus der ZNA: „Ich habe zwei Stunden auf einen Arzt gewartet. Man sagte mir, es wäre aktuell nur einer im Haus. Ein Arzt im ganzen Krankenhaus????? Ja klar. Die Pfleger wollten mir auch nix für meine Schmerzen geben. Ich bin dann auch gegangen. Würde dieses Krankenhaus NIEMANDEN empfehlen. Die Schwester hat es nicht mal geschafft, mir Blut abzunehmen. Peinlich!!”

    (Muss denke ich nicht erwähnen, dass sich mein Haus in den Antworten dazu fünfzig Mal für das „unglaubliche Benehmen“ entschuldigt hat.)

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    1. Dann hoff ich mal, dass „Schwester Saftschubse“ dich gepflegt ignoriert oder wahlweise aufs Feinste zurechtweist, wenn du mal bei ihr „zu Gast“ bist. 🤬
      Was für ein schäbbiger Kommentar, mannmannmann…

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      1. Also halt, da muss mal sortiert werden:
        Es gibt da 1.) die umgangssprachlich so genannten „Schwestern“, die Fachpersonal sind.

        Dann gibt es 2.) die umgangssprachlich auch so genannten „Schwestern“, die vielleicht eine andere Kittelfarbe haben, damit man sie als „anders“ erkennt.
        Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Hilfspersonal, so genannte Pflegehelfer.

        Und dann gibt es tatsächlich noch eine andere Gruppe, das ist 3.).
        Das sind die tatsächlich „Saftschubsen“ in Livree, also oftmals Hotelfachangestellte, die bevorzugt P-Patienten mit Saft und Keksen, etc. versorgen.

        Manchmal ist zu beobachten, dass Vertreter der Gruppe 1 sich mit Tätigkeiten befassen, die eigentlich Vertreter der Gruppen 2. und 3. übernehmen sollten, was dann auch mal für Patienten zu Irritationen führen kann, wer denn jetzt für was zuständig und ansprechbar sein soll.

        Aber so mancher Vertreter der Gruppe 1 sieht in solchen Leistungen eine Entlastung für sich, da man sicher mehr für das Saftbringen geschätzt wird als für Fachpflegeleistungen.

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  2. Bin auch in der Pflege.
    Und muss sagen, hab leider Gottes ebenfalls schlechte Erfahrungen im Krankenhaus gemacht. Mit Ärzten und Krankenschwestern.
    Vor op angepflaumt warum ich erwähnt habe das ich Herzinfarkt hatte plus ein paar andere Kleinigkeiten. Ich hätte es doch bitte auch unerwähnt lassen können.
    Nach op, behandelt worden wie der letzte Dreck.
    Die einzige, die wirklich nett und hilfsbereit war, war die nachtschwester. Gut, ich habe auch nur einmal in der Nacht geklingelt. Immer um die selbe Zeit. Daher wussten sie was ich brauche.
    Der Rest………… Zum kotzen

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    1. Es kommt auch immer darauf an, wie man dem Pflegepersonal gegenübertritt.
      Meiner Meinung nach sind solche Erlebnisse Zeichen von Stress, Frust und Überforderung. Ein klares Zeichen für den Personalmangel und den hohen Druck. Man sollte sich nicht über das unfreundliche Personal beschweren, sondern den Zustand endlich begreifen und schauen wo diese „Unfreundlichkeit“ und der Stress herkommt. Beschwert euch endlich mal bei denen,die dafür verantwortlich sind.

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