Nicht nur ‚Maskendeals‘, Herr Löbel

910.000 Euro. Auf Twitter hat es jemand zusammengerechnet. 910.000 Euro haben Praxen, Heime und Kliniken also zusätzlich zu den sowieso schon steil in die Höhe geschossenen Kosten für Masken zahlen müssen, damit sie ihre Mitarbeiter schützen können. An eine Handvoll Bundestagsabgeordnete. Für die freundliche Vermittlung. „Maskendeals“ wird das in der Presse genannt. Aber es waren nicht nur Maskendeals. Es war weit mehr als das.

Ich erinnere mich an das Frühjahr 2020. Ich erinnere mich an den # #KeinIsomaterialfürCorona, mit dem die Pflege darauf aufmerksam machen wollte, dass sie gefährdet ist. Es hat niemanden interessiert. Ich erinnere mich an zugesperrte Schränke, damit man sich nicht einfach eine lebensrettende Maske aus dem Schrank nehmen kann. Ich erinnere mich an Bilder, wie Kollegen das infizierte Zeug mit nachhause nehmen und dort ausbacken mussten. Ich erinnere mich an Kollegen, die nach 12 Stunden Schichten Stoffmasken für andere Kollegen nähten und an wieder andere Kollegen, die diese Masken dann bügelten, damit sie eine Chance hatten, das verflixte Virus zu töten.

Ich erinnere mich an völlig fertige Pflegedienstleitungen, die den ganzen Tag damit zubrachten, Masken besorgen zu wollen, telefonierten, an Lieferketten scheiterten oder schlicht daran, dass in den IT Systemen nur dort bestellt werden kann, wo die Firma als Lieferant hinterlegt ist. Ich erinnere mich an Bilder, wo nur ein paar Masken auf der Station hingen und die mussten sich dann alle teilen. Alle. Die selben! Tagelang! Ich erinnere mich an Rationalisierung, eine Maske musste 1 Woche reichen. Bei 12 Stunden-Diensten. Bei Kontakt mit Corona. Ich erinnere mich, wie die Statistiken des RKI anfingen, täglich mehr tote Kollegen aufzulisten.

Ich erinnere mich, wie sie dann anfingen, die Pflege „Helden“ zu nennen und im Bundestag aufstanden und klatschten und von Wertschätzung erzählten. Und ich habe Fragen, Herr Löbel.

Ich möchte wissen, ob Sie selber, als niemand etwas hatte, beim Einkaufen Maske trugen und ihre Familie und vielleicht Ihre Kinder. Ich möchte wissen, ob Sie auf die Uhr schauten, alle 12 Stunden, wenn Pflegepersonal die Schichten wechselte, weil dann die Hoffnung bestand, dass die neue Masken zugeteilt bekommen würden. Katsching in die eigene Tasche immer um 6.00. Ich möchte wissen, was Sie dachten, als Sie da im Bundestag standen und klatschten? Was war es? “ Applaus Ihr Deppen, Ihr verdient gerade für mich Geld! Höhöhö!“ ? Ich möchte wissen, was Sie dachten, wenn wieder einmal eine Bild-Schlagzeile aufpoppte, wenn in einem Pflegeheim Corona ausgebrochen war. Als man der Pflege die Schuld gab, als Angehörige wütend vor den Heimen tobten, Pflegende anspuckten, sie aus den Supermärkten schmiss, ihre Autos zerkratzte? Was war es? Vorfreude, weil das Heim sicher so verzweifelt sein würde und bei Ihnen die Kasse bald klingelte?

Ich möchte wissen, ob Ihr Euch da im Bundestag beim Lachen auf die Schenkel klopft, weil Pflege gutmütig in der Pandemie alles mit sich machen lassen muss, während Ihr, jeder für sich, innerhalb eines halben Jahres den Wert eines Einfamilienhauses verdient habt, mit der Arbeit der Pflege? Während Pflege oftmals nicht in der Lage ist, ein Einfamilienhaus in ihrem ganzen Leben abzubezahlen. Ich möchte wissen, wer dann beschließt, in Pressekonferenzen etwas von Wertschätzung zu erzählen, und wie „WERTVOLL“ (lacht Ihr, wenn Ihr das aussprecht?) die Arbeit der Pflege ist. Wertvoll ist sie, die Arbeit. Schließlich verdient Ihr dran.

Ich möchte wissen, wie sich das anfühlt. 1,3 Millionen Pflegende. Die Euch mit in dieses Haus, den Bundestag, gewählt haben. Auf deren Leben Ihr jetzt also ungebührlich Kohle verdient. „Marktgerecht“ habt Ihr das genannt. „Der marktgerechte Patient“ heißt auch der Film, der beschreibt, wie menschenunwürdig Medizin unter Gewinnmaximierung geworden ist. Ich bin sicher, Ihr kennt den Film und auch den Wortzusammenhang. Ihr verarscht uns doch.

Ich möchte wissen, was Ihr über die Opfer der Pflege denkt. „Pech gehabt, keine Lösesumme für Masken bezahlt, höhö.“ ?

Sie ziehen sich aus der Politik zurück, sagen Sie. Doch das ist schon wieder gelogen. Sie bleiben nämlich auf dem gut bezahlten Sitz sitzen bis August. Ein halbes Jahr also muss ich Sie noch durchfüttern. In einem Monat bekommen Sie soviel Geld wie 5 meiner Kollegen. Wenn die Glück haben.

Währenddessen erzählt Ihr uns weiter, dass Ihr nichts ändern könnt. Und verlasst Euch drauf, dass die Leute ihren Job machen. Gefährdet. Überstunden. Die Kinder der Pflege, die ihre Eltern kaum sehen. Mitarbeiter, die müde sind.

Was werdet Ihr machen mit der ganzen Kohle? Erstmal schön in den Urlaub, wenn es vorbei ist? Eine Beraterfirma gründen? Euch auf die Schultern klopfen, dass Ihr „wenigstens das noch mitgenommen habt“? Euch bedauern, weil alles so gemein ist?

All das weiß ich nicht. Leider. Aber ich weiß, was das Gemeinste an der Sache ist. Ihr könnte jederzeit Eure Krankenversicherungskarte zücken und in ein Krankenhaus gehen. Und dann müssen die, die Ihr so derbe verarscht habt, Euch behandeln, als wenn nichts gewesen sei.

Warum sie das müssen? Sie haben einen Ethikkodex. Das werden Sie nicht kennen, Herr Löbel. Hätten Sie mal besser Pflege gelernt. Hätte Pflege mal besser auf Ihrem Platz gesessen.

4 Kommentare zu „Nicht nur ‚Maskendeals‘, Herr Löbel

  1. Zuviel des Guten
    [Vermitteln von PSA-Produktlieferungen ist löblich]
    bedeutet den Weg bahnen für eine
    maximierte unlöbliche, korruptive Schlechtigkeit.

    Maximale korrumpierte Moralität,
    die wg. ihre feine Haut nach außen so sehr glänzt,
    wie sie innerlich Mensch, Moral und Miteinander abstumpft;

    gut beschrieben – mit all ihre Nuancen:
    sie schafft Verdruss
    nicht zuletzt Politikverdrossenheit.

    Gut dargestellt, wie es gelingt,
    mit unnötige, unlöbliche Selbstbereicherung
    Politkverdrossenheit so aufzukochen,

    dass der Kessel überschäumt.
    Das gelingt nur,
    wenn Man (-n) unlöbliches, mächtiges Feuer
    unterhalb der Kessel, im Verborgenen, entfacht,
    entflammt und aufflackern lässt.

    Derartige unlöbliche politische Manöver gehören angeprangert.

    Schade um den Mann und seine Politik des “zuviel des Guten.”

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  2. Schöner Beitrag, aber natürlich liest der Löbel sowas nicht! Juckt ihn auch nicht! Der Typ ist 34, hat fast 8 Jahre lang Jura studiert und wurde von der Uni geworfen weil er zu oft durch Prüfungen gefallen ist. Dann auf Kosten des Vaters an einer teueren Berliner Privatschule BWL studiert und dann ein Jahr in einer Firma gearbeitet also irgendwas mit Projektmanagement! Dann mit Papis Geld eine eigene Firma gegründet (natürlich wieder irgendwas mit Projektmanagement) und 2017 dann direkt in den Bundestag!
    Achja und noch fast 8 (!) Jahre für nen Master (!) mit Management an der Fernuni Hagen studiert!

    Ernsthaft, WARUM darf oder kann der ohne Polizeischutz frei rumlaufen?? WER wählt so einen Versager in den Bundestag??? WARUM sind die Deutschen so blöd und wählen solche Idioten????
    Und WARUM wirft die CDU ihn nicht ab April komplett raus, also auch aus dem Bundestag??
    Machbar wäre das!

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