Keine Pflege im Corona-Expertenrat.

Wer die Berliner Politik auch nur halbwegs aufmerksam beobachtet, der findet seit dem Regierungsantritt der Ampel die selbe Politik wie auch sonst vor. Nur die Rollen sind vertauscht.

Schon 24 Stunden, nachdem die Ampel angetreten war, um die Welt zu verändern, befand die CDU, die Corona-Maßnahmen gingen nicht weit genug. Dabei hatte die Ampel gerade auf die Maßnahmen eine kleine Schippe draufgelegt. Was die CDU da kritisierte, war also im Grunde ihre eigene Politik. Vom Saulus zum Paulus in Stunden. Chapeau.

Über die Frage, wie sich das Virus in Altenheimen verbreitet, wenn es doch Infektionsschutzmaßnahmen gibt (die aber nicht greifen – ich schrieb das in „Die Welt“), möchte sich noch immer niemand unterhalten. Es kommt ja jetzt die Impfpflicht für Pflege (die eben diese Infektionen nicht verhindert, wenn die Befürchtungen stimmen, aber hey, Hauptsache Symbolpolitik).

Nun steht der Expertenrat der Ampel, der im Corona-Desaster die Regierung beraten soll. Nötig wird er, so verstehe ich das, weil die Inzidenzen steigen, aber kaum noch Pflegende vorhanden sind. Noch immer nennt man diesen Zustand „freie Betten“, obwohl es genügend Betten, aber keine Pflegenden für die Menschen in diesen Betten gibt, die sich deshalb in diese Möbelstücke nicht legen können.

Noch immer also da selbe Wording. Pflege bleibt „das Ding“. Der Expertenrat besteht aus einer interdisziplinären Creme de la Creme der Wissenschaft. Virologen, Psychologen und einem Landrat, der sich darauf freut, „seine Kompetenzen einbringen zu können“, von denen unklar ist, was sie beinhalten.

Gefreut, Expertise mitzubringen, wenn es darum geht, über ein Desaster zu reden, das sich ohne Zweifel auch als Corona-Pflege-Desaster benennen lässt, hätte sich die Pflege. Immerhin geht es um sie, um Themen, die ihren Arbeitsbereich betreffen. Beratung der Regierung täte Not, weil die in den letzten Wochen mehrfach unter Beweis gestellt hat, dass sie nicht weiß, was Pflege ist, wer in Altenheimen pflegt und was sie kann. Impfen zum Beispiel. Aber das soll sie nicht.

Aber sie ist nicht vertreten. Sie ist nicht vertreten, obwohl im Wahlkampf alle was von Pflege stärken, Systemrelevanz, Veränderungen und hochundheilig Verbesserungen versprochen hatten. Aber das war halt im Wahlkampf und wie wir alle wissen, hat der mit der Realität nicht viel zu tun. Pflege ist nicht vertreten, weil man sich angewöhnt hat, über die Pflege zu reden, anstatt mit. Zwar befürwortet man Kammern, aber auch die sitzen nicht am Tisch. Zwar befürwortet man den DPR und unterstützt ihn monetär, aber sagen soll er lieber nichts.

In anderen Ländern ist Pflege mit in den Krisenstäben vertreten. Aber nicht in diesem Land, wo man den Berufsethos bemüht., um Durchhalteparolen zu generieren. Die Botschaft ist simpel. Man hat ja gerade erst die Freiheit der Körper der Pflegenden ausgesetzt (Impfen) obwohl man gar nicht so genau weiß, über wie viele man da redet. Man hat auch einen Bonus versprochen, von dem man nicht so genau weiß, was, wieviel, an wen und wann („Das will wohlüberlegt sein“). Von politischer Partizipation war nie die Rede. Es ist freilich auch einfacher, die Pflege außenvor zu lassen im Beratungsprozess. Nachher würde man etwas über die eigene fatale Struktur und die Systemschwächen lernen. Und das verweigert man ja seit Jahrzehnten. Nachher würden die Leute in diesem Land noch wahrnehmen, dass das mit der Systemrelevanz keine Worthülse war, auch, wenn man sie meinte. Und am Ende rausfinden, dass die wirklich etwas können. Da lässt man sie lieber daheim. Wo sie keinen Schaden anrichten kann.

Freilich, genau wegen der mangelnden Wertschätzung, der Nichtwarhnehmung, dem Verfügen und dem Ausbeuten, wegen politischen Versprechungen, die nie eingehalten wurden und wegen Überlastung kündigen gerade viele den Job. Aber darum kümmert man sich dann vielleicht mal mit einer neuen Berufsstolzkampagne. Später. Immerhin sitzt die SPD in der Regierung, die in der Ehrenpflegaskampagne deutlich gezeigt hat, was sie von Pflegenden hält. Kein Wunder also, dass sie sich nicht mit Pflegeborissen an einen Tisch setzt. Sie scheint Ihrer eigenen Kampagne zu glauben, so, wie sie nie die Kritik an dieser Kampagne hören wollte.

Ich wage eine Prognose. Die CDU wird sich in den nächsten vier Jahren in die Herzen der Pflegenden kritisieren. Am Ende haben wir wieder eine GroKo. Für Pflege wird das alles nichts ändern. Und das ist die einzige Kontinuität, die die Gesundheitspolitik seit dem Beginn der Bundesrepublik zu bieten hat.

Fröhliche Pandemie weiterhin.

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Ein Kommentar zu „Keine Pflege im Corona-Expertenrat.

  1. Ein Vertreter der Pflege im Expertenrat hätte wahrscheinlich eine hohe Symbolkraft, besonders für die Pflegenden. Sie säßen auf einmal mit am Tisch bei den Erwachsenen. Dieses einmal geöffnete Fass bekäme man nicht so schnell wieder geschlossen, da würden dann plötzlich Lippenbekenntnisse nicht mehr reichen, es müssten Handlungen folgen. Das war aber nie der Plan der Politik.

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