Die Sache mit dem fehlenden „l“!

Im Header meiner Facebookseite fehlt seit Jahr und Tag ein kleines l im Wort „Pflegephilosophie“. Eigentlich vergeht kein Tag, an dem ich via PN oder in den Kommentaren nicht darauf angesprochen werde und deshalb möchte ich Euch etwas über meine Sicht auf Fehlerkultur erzählen.

Manche Menschen, gerade Neue, schreiben mich in Nachrichten an.

„Sehr geehrte Frau Schünemann, es ist Ihnen vielleicht noch nicht aufgefallen, aber da fehlt ein l.“

Ich finde das sehr nett, bedanke mich und freue mich. Wie reizend, mich darauf aufmerksam zu machen. Oft unterhalte ich mich im Chat dann mit den Leuten. Was ich da schon alles rausgefunden habe über die Menschen, die mich lesen. Toll! Höfliche Leute mit ihren Sorgen und sie erzählen mir, wo sie arbeiten und wie es da so ist. Das alles wäre mir entgangen ohne das fehlende l. Was das kleine Kerlchen leistet! Ohne das fehlende l, also MIT l, hätte ich von all den lieben Menschen nie erfahren. Wenn das, was fehlt, zu mehr Kommunikation führt, dann ist das toll.

Manche machen es so:

„Sind Sie blöd! Sie können ja nichtmal Philosophie richtig schreiben!“

Ich persönlich halte das für eine steile These, denn spätestens in meinem Nutzernamen ist das l ja da. Ich bedanke mich trotzdem. Warum? Wer auch immer das so schreibt, der hat jetzt einen feinen Tag. Der muss unendlich viel Frust geladen haben. Ja, der habe ich es mal so richtig gezeigt. Hah! Mal so richtig bescheidgegeben! Tschakka! Tja, also, wenn das etwas ist, was Menschen glücklich macht, dann immer ran. Wer weiß, wie viele Menschen da schon ihren Druckkessel mal so richtig entlastet haben und was passiert wäre, wenn sie es nicht bei mir getan hätten! Danke, liebes l.

Oder, auch beliebt: „Das hätten Sie schon lange ändern können!“

Hm. Hätte ich. Dazu hätte ich mich einloggen müssen, die Einstellungen öffnen und die Änderung des Namens beantragen. In der Zeit hätte ich aber auch: meine Kinder anrufen können und ihnen sagen, wie lieb ich sie hab, meinem Mann einen Kuss geben oder meinen Freundinnen einen schönen Tag wünschen und ihnen sagen: „Halte durch!“ DAS finde ich viel wichtiger als das l.

Dazu kommt, dass das Anforderungen von völlig fremden Menschen sind, die eine Norm erfüllt haben wollen, weil es ihren inneren Monk triggert. Dann denke ich darüber nach, wieviele Normen ich von Fremden zu erfüllen habe, denn ich kenne die Leute ja nicht wirklich. Und dann komme ich drauf, dass ich eigentlich keine Lust habe, Normen bei so etwas Unwichtigem wie dem l zu erfüllen. das ganze Leben besteht aus Kompromissen zwischen mir und Normen. Wie ich aussehe, wie ich esse…. Ich GÖNNE mir das fehlende l.

Wie gehen wir mit Fehlern um? „Du hast einen Fehler gemacht!“ ist noch immer für viele ein ganz schlimmer Satz. Dabei ist ein Fehler nur das, was fehlt. Ich kann es, wie beim l, hinzufügen, und schon ist alles gut. Kann ich es nicht, ist es eine Katastrophe, vor allem, wenn der Fehler Auswirkungen auf das Leben anderer hat und so zur Katastrophe wird.

Das l ist jetzt aber nicht so ein Fehler wie aus Versehen Salz statt Zucker in den Sonntagskuchen geben, oder beim Einparken – wie peinlich- es nicht gleich in die Lücke schaffen. Es ist einfach nur ein Buchstabe, der auf Facebook fehlt. 7, 5 Milliarden Menschen auf dieser Welt kennen die Seite nicht. das fehlende L macht nichts Schlimmes mit ihrem Leben, es macht auch nichts Schlimmes mit dem Leben derer, denen der Fehler auffällt. Ist es dann ein Fehler oder ist es nicht einfach völlig egal?

Wir alle machen Fehler. Warum sollte ich nicht zu meinem gemachten Fehler stehen? „Schaut her! Ich bin Geisteswissenschaftlerin und mache Fehler! Ich stehe dazu, es passiert nichts Schlimmes, wenn man zu einem Fehler steht!“ ist doch eigentlich ne tolle Message. Würde ich den Fehler beheben, wäre sie kaputt.

Mittlerweile habe ich eine Beziehung zu dem fehlenden L. Vielleicht hat es gerade Besseres zu tun als in meinem Wort abzuhängen? Vielleicht ist es beschäftigt im Wort Liebeslied, Lust, Ladenhüter, Lappalie, Larifari, Liebe, Leben, Lachen! Da ist es auch viel wichtiger.

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2 Kommentare zu „Die Sache mit dem fehlenden „l“!

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